Dienstag, 26. März 2019

Das moderne Unternehmen – eine „positive Emotionswelt“


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Nur“ Geld war gestern – Attraktive Arbeitgeber zahlen in „neuen Währungen“
In meinen unterschiedlichen Rollen als Leiterin Unternehmensentwicklung & HR als auch als beratende Anwältin erlebe ich fast täglich, wie sich Unternehmen hart anstrengen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und  diese möglichst langfristig zu binden. Dabei geht es nicht nur um „irgendwelche“ Mitarbeiter – nein, es sollen die „besten“ Mitarbeiter sein. Mitarbeiter, mit denen Unternehmen glauben die Herausforderungen einer globalen Wirtschaft und digitalen Zukunft bewältigen zu können.

Inhalt:
Verbundenheit ist nicht käuflich
#NewWork braucht neue Währungen
Unternehmen als "positive Emotionswelt"
Die Mischung macht´s
Fazit

Verbundenheit ist nicht käuflich
So wie sich ein Wandel in unserer Arbeitswelt weg von stark repetitiven und damit wenig attraktiven Aufgaben hin zu kreativen und schöpferischen Gestaltungsaufgaben von Mitarbeitern vollzieht, so verliert zunehmend auch der Ansatz eines rein finanziell geprägten Vergütungssystems seine Wirkung.
Doch wenn eine hohe Vergütung der einzige Grund ist, in einem Unternehmen tätig zu sein und zu bleiben, dann ist auch die  Verbundenheit zum Unternehmen ausschließlich auf finanzielle Motive gegründet. Was nichts anderes bedeutet, dass sobald ein anderer Arbeitgeber ein höheres Gehalt zahlt, der Mitarbeiter dann wohl zu diesem anderen Arbeitgeber wechselt. In letzter Konsequenz ist „das Finanzielle“- auch aus Sicht des Arbeitgebers - also keine wirklich verlässliche Grundlage für eine starke längerfristige Beziehung und Verbundenheit zum Unternehmen.

Diesem Phänomen bin ich nun näher auf dem Grund gegangen und habe mich gefragt, wie denn eine Vergütung sein muss, damit sie eine getragene Verbundenheit schafft. 

#NewWork braucht neue Währungen
Schon aus den oben genannten Gründen, aber auch weil sich unsere bisher eher tradierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen aufgrund veränderter Rollen weiterentwickeln und gleichzeitig vermehrt unterschiedliche individuelle Wünsche und Forderungen der Arbeitnehmer bedient werden dürften, bedarf es auch weiterer – und zwar wesentlich vielfältigerer - Lösungen für das Thema Vergütung. „Neue Arbeit“ fordert dies konsequenterweise ein. Wir können nicht einerseits über Augenhöhe, Auflösung von Arbeitsorten, flexible Arbeitszeiten, anspruchsvolle Arbeitsaufgaben als „Neue Arbeit“ sprechen und andererseits dabei die Vergütungssysteme so belassen, wie sie klassisch sind. Auch Vergütung muss im Sinne von einer „Neuen Arbeit“ „agil“ werden und kann dabei den bisher schon verfügbaren rechtlichen Handlungsspielraum ausschöpfen. 
Zukünftig brauchen Unternehmen verstärkt Systeme, die einerseits die finanziellen und die - mindestens genauso wichtigen - nicht finanziellen individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitern erfüllen und zum anderen natürlich die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten des Unternehmens berücksichtigen und auch sichern.
Wenn es gelingt, entsprechende Systeme zu implementieren, dann kann dies wertvolle Auswirkungen auf die betriebliche Atmosphäre haben: so können dann auch regelmäßige Impulse entstehen, die z.B. dazu beitragen können, die in Belegschaften stets vorhandenen Unzufriedenheiten oder sogar auch Ängste (Existenzangst, Zukunftsangst, Angst vor Kontrollverlust…) zu mildern.

Unternehmen als "positive Emotionswelt"
Das alles eröffnet die Chance bzw. setzt voraus, nicht nur den Blick auf die „neuen Wünsche“ und Bedürfnisse der Beschäftigten zu erweitern sondern hier  auch gerade nicht-monetäre Anreize stärker in den Fokus zu nehmen, die diesen Wünschen und Bedürfnissen gerecht werden können. Das Unternehmen als eine „positive Emotionswelt“ gestalten.

Dafür bedarf es einer richtigen Mischung aus monetären und nicht-monetären Komponenten.

Die Mischung macht´s
Doch was ist nun die richtige Mischung? Diese exakt zu finden wird wohl nicht pauschal für jedes Unternehmen gleich zu beantworten sein sondern von den jeweiligen  Mitarbeitertypen und auch deren  Wünschen und Bedürfnisse  abhängen. Wir Menschen ticken nun mal alle anders… Bedeutet dass, dass ich als Arbeitgeber nun für jeden Mitarbeiter ein ganz eigenes Modell stricken müsste? Das wäre vom Aufwand wohl kaum zu leisten. Doch ganz ohne Veränderung wird es nicht gehen: Für Unternehmen bedeutet dies, wesentlich flexibler zu werden, was ihre Vergütungssystematiken anbelangt. In meinen Recherchen hat sich gezeigt, dass gerade Faktoren, die vor allem keine klassischen  Gehaltsbestandteile sind gegenwärtig einen enormen Einfluss auf die Entscheidung von Arbeitnehmern zu welchem Arbeitgeber sie gehen bzw. bei welchem sie auch bleiben.

Insofern bieten sich hier für Unternehmen gerade jetzt neue Chancen, Mitarbeitern Vorteile zu gewähren – Vorteile also als eine Art Währung – die auf die Organisationsgestaltung, bestimmte Arbeitsweisen und besondere Formen der Zusammenarbeit bzw. auch kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das können agiles Arbeiten, mobiles Arbeiten, Innovation Labs, selbstorganisierte Teams, #NewPay, flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitautonomie, etc. sein. Es handelt sich also um Vorteile, die man sich mit Geld nicht kaufen kann, die aber dafür entscheidend sein können, ob sich ein Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlt.

Fazit
Wollen Unternehmen also zukunftsfähig werden oder bleiben, setzt dies eine genaue Kenntnis der Wünsche und Ansprüche der  Mitarbeiter voraus, um diese für sich zu überzeugen und nachhaltig zu gewinnen. Und nicht nur das: die Unterschiedlichkeit bzw. die Individualität der Bedürfnisse nimmt auf beiden Seiten zu und geht  über die herkömmliche und legitime gegensätzliche Interessenlage zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinaus. 

Es wird daher nicht (mehr) „die eine richtige Lösung“ geben sondern vielmehr bedarf es Vergütungssysteme mit verschiedenen bzw. multiplen Vergütungsangeboten, die hier den vielfältigen unterschiedlichen Begehren und Ansprüchen gerecht werden.

Wenn es mehr interessiert, wie das konkret gehen kann, welche Bedürfnisse von welcher „Währung“ erfüllt werden können und was sich hieraus auch für Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen ergeben, - das findet sich in ausführlicher Darstellung in meinem Buch
Es darf bestellt werden 😉 

Donnerstag, 21. Februar 2019

Agile Transformation braucht Gefühle – wenn Arbeitsrecht auf Organisationswandel trifft

Foto: Unsplash

In Deutschland folgt eigentlich jede Veränderung einem detaillierten Plan.  In der agilen Transformation folgt eigentlich jeder  Plan  irgendwann immer der sich gestaltenden Veränderung: „AgilesMindset vs. GermanPlan Mindset“

Entscheidet sich nun ein Unternehmen, sich in seiner Organisationsform hin zu einer agilen – meist flacheren und flexibleren – Arbeitsorganisation zu verändern (oder besser: zu transformieren) kann dies schon mal zu der ein oder anderen Herausforderung führen. Das betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern als auch die Zusammenarbeit   mit einem ggf. im Unternehmen bestehenden  Betriebsrat.
Ein Ausgangspunkt der Betrachtung ist idR die „Angst vor der Veränderung“ – unser „German Angst“ Mindset, eine Prise „Steuerungsfetischismus“ und die Angst vor einem Kontrollverlust. Dann wird häufig nach einem Plan verlangt, der die Risiken reduziert und schon durch die Existenz oder das Verhandeln eines Plans beginnt das Entstehen des ersehnten Gefühls der Sicherheit.

Inhalt: 
Interessenausgleich + Sozialplan heißen die Pläne auf "arbeitsrechtlich"
Das Ziel weist den Weg!
Agilität stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen
Einzahlen auf eine Emotionskultur
Gefühle sind der Schlüssel

Interessenausgleich + Sozialplan heißen die Pläne auf "arbeitsrechtlich"
Das deutsche Arbeitsrecht hat dieser Psychologie in bemerkenswerter Weise Rechnung getragen, denn im Betriebsverfassungsgesetz heißen „die Pläne“ „Interessenausgleich“ und „Sozialplan“. Und da diese Pläne durch Betriebsräte mitgestaltet werden, haben die Mitarbeiter auch keinen Kontrollverlust, da man anhand der Pläne – es sind halt unbestechliche objektivierte Maßstäbe - genau feststellen kann, wenn es zu riskanten und/oder auch nur ungewollten Abweichungen von diesen Plänen kommt.

Wie kann man nun angesichts einer solchen psychologischen und rechtlichen Ausgangslage eine „agile Transformation“ erfolgreich in die Wege leiten? 

Das Ziel weist den Weg!
Das Ziel weist den Weg! Der Trend bei agilen Organisationsgestaltungen geht eher weg von einer hierarchischen Form hin zu einer Netzwerkbildung. Dies ist oftmals verbunden mit einer erweiterten Verantwortungsübernahme in den Teams selbst  - Stichwort: Selbstorganisation. Damit einher geht auch die Selbstführung in den Teams, was gleichzeitig weniger Führungsaufgaben bei einzelnen Führungskräften zur Folge hat.
Das alles bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Rolle von Arbeitgeber und Mitarbeitern: sie verlieren an der bisherigen Kontur…aber sie gewinnen an Kontrolle über die Veränderungen und gestalten sie aktiv mit!. Dies erzeugt Transparenz und Sicherheit. 

Bisherige Rollen und das Selbstverständnis von Führungskräften und Mitarbeitern verändern sich folglich durch einen agilen Transformationsprozess.

Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Personalabteilungen: diese müssen Führungskräfte und Mitarbeiter im Prozess zu einer agilen Organisation begleiten und stärken und emotionale Impulse behutsam und wertschätzend begleiten und aufnehmen.

Agilität stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen
Die Bewältigung – und vor allem auch die gemeinsame Bewältigung – dieser  Veränderung in der Arbeitsbeziehung zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und auch Betriebsräten stellt gerade das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen. Unser Arbeitsrecht würde zu einer Zeit konzipiert, da war die Idee der Agilität noch gar  nicht in der Welt 😉
Damit agile Spielräume so weit wie möglich erschlossen werden können, ist es aber wichtig, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und zu beachten, in denen sich Arbeitgeber bewegen dürfen. Sind diese bekannt, kann agiles Arbeiten schöpferisch und rechtssicher gestaltet werden. Denn jede Abweichung vom Recht ist aus Sicht vieler Zeitgenossen eine Abweichung „vom rechtlichen Plan“ und daher nicht tolerierbar!

Einzahlen auf eine Emotionskultur
Darüber hinaus schafft und braucht (!) Agilität auch eine bestimmte Unternehmenskultur. Sofern sich Unternehmen also dafür entscheiden, agil zu arbeiten, ist das ein Einzahlen auf eine Vertrauenskultur und damit eine Emotionskultur. Und damit dieses Vertrauen belastbar  wird, sind bestimmte rechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Rechtliche Regelungen schaffen Transparenz und Verbindlichkeit. Diese erzeugen Verlässlichkeit und erlebte und erfahrene  Verlässlichkeit schafft Vertrauen.
Genauso wie Personaler sind also auch Betriebsräte wichtige Funktionsträger und Mitgestalter in Unternehmen und Organisationen. Und genauso wie für Personaler ist es auch Teil der Aufgabe eines Betriebsrates, auf rechtliche Konformität zu achten. Und natürlich geht es auch beim agilen Arbeiten um rechtliche Belange, die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern und Mitbestimmungsangelegenheiten von Betriebsräten betreffen. Veränderungen in den Tätigkeiten und Organisationseinheiten, Einführung von mobilem Arbeiten, Auflösung von z.B. Einzelbüros zugunsten einer anderen Raumgestaltung und/oder auch die Anwendung bestimmter Arbeitsmethoden wie z.B. Scrum oder Design Thinking können rechtliche Auswirkungen sowohl für den einzelnen Arbeitnehmer (individualrechtlich) als auch bezogen auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (kollektivrechtlich) haben.  


#Legal Check
Individualrechtlich, z.B.
Kollektivrechtlich, z.B.:
Versetzung
§ 99 BetrVG Mitbestimmung
Persönlichkeitsrecht
§ 87 BetrVG Mitbestimmung
Arbeitsschutz
§§ 111, 112 BetrVG Mitbestimmung
Datenschutz
§ 90 BetrVG Unterrichtung / Beratung
Arbeitszeitgesetz, Teilzeitbefristungsgesetz, etc.
§ 92 BetrVG Unterrichtung / Beratung
AGG
§ 80 BetrVG Überwachung
Tabelle: B. Redmann

Die oben erwähnte große agile Gestaltungsfreiheit verlangt von allen betrieblichen Akteuren also einen Mix besonderer Emotionen und Eigenschaften: Mut, Pioniergeist und mehr Kreativität zum Ausprobieren von praktischen Lösungen. Hier sind alle gefragt. Mitarbeiter, Personaler, Betriebsräte, Führungskräfte, Firmeninhaber…
Einer alleine kann hier wenig bewegen: Eine agile Transformation lebt und vollendet sich durch „das Gemeinsame“. 
Das wird dem einen leichter und dem anderen schwerer fallen: wir sind alle Menschen und dem einen fallen Veränderungen oder Ideen für neue Herangehensweisen als auch die Gelassenheit, etwas auszuprobieren leichter als einem anderen. Dieser Umgang mit Veränderung hat auch meines Erachtens nichts mit der “ bisherigen Rolle eines Menschen im Unternehmen zu tun sondern eher mit der  Persönlichkeit.

Gefühle sind der Schlüssel
Umso wichtiger, in einem agilen Transformationsprozess, das hier Unternehmensleitung und Personalbereich gemeinsam mit dem Betriebsrat die Veränderung angehen und hier als positive emotionale Vorbilder und Teile eines „agilen Transformationsteams“ zusammenarbeiten und gestalten. 
Am Ende muss ich einräumen, dass mir diese Zusammenhänge nicht aufgefallen sind, weil ich Juristin und Anwältin bin, sondern wegen meiner weiteren Erfahrungen als Coach oder Mediatorin. Das Recht klammert Gefühle halt gern aus…die Wirklichkeit nicht 😊

Quellen/Hinweise
1) Redmann, Britta, Agiles Arbeiten im Unternehmen, Haufe, 2017



Donnerstag, 31. Januar 2019

Brückenteilzeit - Wie Mitarbeiter und Arbeitgeber das Beste daraus machen

Unsplash - Christian Holzinger


„Teilzeitest Du schon oder arbeitest Du noch?“ – frei nach dem Slogan eines schwedischen Möbelhauses könnten auch Arbeitgeber hier  mit attraktiven Arbeitszeitbedingungen Mitarbeiter „anwerben“. So ist Arbeitszeit zunehmend ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, wenn es um die Gewinnung von neuen Mitarbeitern geht. Und nicht nur das: jeder Arbeitgeber möchte natürlich nicht nur neue sondern vor allem auch die besten Mitarbeiter bekommen und natürlich auch die besten Mitarbeiter die bei ihm schon beschäftigt sind zuverlässig an sich binden. Um hier als attraktiver Arbeitgeber mitspielen zu können, heißt das, sich auf die Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeitern einzulassen. Und die besten Mitarbeiter wollen heutzutage vor allem flexible Arbeitsbedingungen, allen voran selbstbestimmte Arbeitszeit. Das Geld muss stimmen – doch die Arbeitszeit genauso. Kommt Arbeitgebern also die jüngst in Kraft getretene Brückenteilzeit hier sogar zur Hilfe?



Inhalt:
Selbstbestimmte Arbeitszeit durch Gesetz
Anspruch auf Brückenteilzeit
Wer darf was wie?
In welchen Unternehmen?
Wie lange und wie viel?
Möglichkeiten des Arbeitgebers
Fiktion durch Nichtreaktion
Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Fazit


Selbstbestimmte Arbeitszeit durch Gesetz

Seit dem 1. Januar 2019 haben Mitarbeiter nun einen eigenen gesetzlichen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum zwischen 1 – 5 Jahre zu verkürzen. Das ist so mit dem neuen § 9a TzBfG festgelegt. Nach Ablauf der Befristung kehren die Betroffenen automatisch – also kraft Gesetzes und ohne Mitwirkung der Arbeitsvertragsparteien - wieder in ihr Vollzeitarbeitsverhältnis zurück. Die dahinter liegende Absicht ist, eine „Teilzeitfalle“ für Mitarbeiter zu vermeiden. Eine Beanspruchung der Brückenteilzeit ist möglich, ohne dass besondere Gründe wie z.B. Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen von den Beschäftigten geltend gemacht werden müssten. Es braucht also keinen besonderen Grund. Und: das Gesetz unterscheidet nicht zwischen „Wissensarbeiter“, Produktionsmitarbeiter oder Schichtarbeiter. Alle Mitarbeiter erhalten dadurch die Möglichkeit, entsprechend ihren persönlichen Situationen, Lebensphasen und auch Wünschen ihre individuelle Arbeitszeit dann – unter bestimmten Voraussetzungen -  beim Arbeitgeber einzufordern. Damit kann der Mitarbeiter seine Wunscharbeitszeiten mit gesetzlicher Unterstützung selber bestimmen.

Was sind nun die Voraussetzungen, für einen Anspruch auf Brückenteilzeit?

Anspruchsvoraussetzung Brückenteilzeit
1. Wer darf was wann wie?
Berechtigt sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Das Antragsverfahren auf Brückenteilzeit entspricht dem gleichen, welches sich auf eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit bezieht, § 9a Abs. 3 TzBfG. Ein entsprechendes Gesuch ist daher drei Monate vor Beginn der Teilzeit geltend zu machen. 

2. In welchen Unternehmen?
Der Anspruch auf Brückenteilzeit gilt nur für Unternehmen, die in der Regel über mehr als 45 Beschäftigte verfügen. Bei der Berechnung dieses Schwellenwertes sind nur Auszubildende ausgenommen. Ansonsten zählen alle eigenen Mitarbeiter nach Köpfen (und nicht nach Stellenkapazität), so dass auch sämtliche bisherigen Teilzeitbeschäftigten eingerechnet werden.
Noch offen ist in diesem Zusammenhang wie Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden. In den entsprechenden Gesetzen (TzBfG oder AÜG) ist hier nichts dazu geregelt. Ob das Bundesarbeitsgereicht das ähnlich sieht wie die Mitberechnung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung des Schwellenwertes bei der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 KSchG), bleibt bis zu einer (noch dauernden) höchstrichterlichen Klärung bleibt abzuwarten. Wollen Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen und werden Leiharbeitnehmer für einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf eingesetzt, empfiehlt es sich, diese mitzuzählen.

3. Wie lange und wie viel?
Der befristete Zeitraum für eine Teilzeit muss mindestens 1 Jahr und darf maximal 5 Jahre umfassen. Nicht gesetzlich geregelt ist das Volumen der Arbeitszeitreduzierung. Hier sieht das Gesetz weder Mindest- noch Höchstmaße vor. Damit kann sich die Konstellation ergeben, dass der Mitarbeiter seine Arbeitszeit auf ein absolutes Minimum reduzieren möchte. Auch hier gibt es noch keinerlei Rechtsprechung zu dieser Frage. Sollte sich eine derartige Situation stellen, wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein angemessener Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben berücksichtigt wurde und damit ein Fall des Rechtsmissbrauches ausgeschlossen werden kann, der dann zur Ablehnung des Antrags führen kann.

Während einer befristeten Teilzeit ist keine erneute Antragstellung oder Veränderung – zumindest nach dem Gesetz – möglich. Hier bleibt dann nur eine freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber oder die Geltendmachung anderer gesetzlicher Teilzeitansprüche wie z.B. Teilzeit in Elternzeit oder Pflegezeit.
Nach Abschluss der befristeten Teilzeit muss zudem ein Jahr „gewartet“ werden, bis der Mitarbeiter einen erneuten befristeten Teilzeitwunsch geltend machen kann, § 9a Abs. 5 TzBfG. Das bedeutet nicht, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einvernehmlich auf eine weitere schon früher beginnende Teilzeit einigen können.
Unterschiedliche „Sperrzeiten“ bestehen, wenn ein Antrag des Mitarbeiters auf Brückenteilzeit abgelehnt wurde. Bezog sich der Grund der Ablehnung auf entgegenstehende betriebliche Gründe, aktiviert sich eine zweijährige Sperrfrist, § 9a Abs. 5 iVm § 8 Abs. 6 TzBfG. Bezieht sich der Arbeitgeber dagegen in seiner Ablehnung auf den Überforderungsschutz nach § 9 Abs. 2 TzBfG, kann der Mitarbeiter bereits nach einem Jahr einen erneuten Antrag stellen. 


Grafik: B. Redmann


Möglichkeiten des Arbeitgebers
1. Fiktion bei Nicht-Reaktion
Wichtig zu wissen für Arbeitgeber ist, dass wenn sie auf einen Teilzeitwunsch eines Mitarbeiters nicht spätestens einen Monat vor Beginn des gewünschten Teilzeitantrages reagiert haben bzw. den Antrag abgelehnt haben, ihre Zustimmung kraft Gesetz fingiert wird. Dies verhält sich genauso wie bisher bei der „unbefristeten“ Teilzeit, die in § 8 TzBfG geregelt ist.

Je nachdem was der Arbeitgeber im Antrag des Mitarbeiters ablehnt, kann es hier auch zu unterschiedlichen Auswirkungen kommen:

Ablehnung Arbeitgeber:
Auswirkung:
Nur der Verteilung/ Lage der Arbeitszeit
+   Die Verringerung gilt im vollem  
     Umfang
Dem Zeitraum bzw. der Befristung als solcher
-     Da der Befristungszeitraum ein wesentliches Element ist, gilt der Antrag dann insgesamt als abgelehnt.
Verringerung der Arbeitszeit
-     Antrag ist insgesamt abgelehnt.

2. Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Arbeitgeber können einen Anspruch auf Brückenteilzeit aus betrieblichen Gründen ablehnen. Dabei gelten ebenfalls die Maßstäbe des § 8 Abs. 4 TzBfG.
Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Das Gesetz sieht hier keine „dringenden betrieblichen Gründe“ vor, allerdings verlangt das BAG schon zur bisherigen Rechtslage, dass die Gründe erheblich sein müssen:
„Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen” Arbeitszeitverteilung begründen (ständige Rechtsprechung …)“
In diesem Zusammenhang kann der Arbeitgeber auch vortragen, dass betriebliche Gründe gerade wegen der Befristung des Anspruches gegeben sind. Dies kann z.B. deswegen vorliegen, weil eine ggf. nur temporäre Überbrückung des gewünschten Arbeitsvolumens nicht umsetzbar ist oder eben übermäßig hohe Kosten verursacht.
Die betrieblichen Auswirkungen sind betriebsbezogen zu betrachten. Verfügt ein Unternehmen über mehrere Betriebe und sind in einzelnen Betrieben besonders viele Mitarbeiter in Teilzeit, kann dies eine Begründung für eine Ablehnung des Antrags sein. Ob die Anzahl der vorhandenen Teilzeitkräfte letztendlich alleine ausreicht, um eine Ablehnung ausschließlich begründen zu können wenn es insbesondere eine unternehmerische Entscheidung war, hauptsächlich mit Teilzeitkräften zu arbeiten, erscheint allerdings fraglich. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend in den nächsten Jahren entwickeln wird. 

3. Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Arbeitgeber können als weiteren Ablehnungsgrund auch eine Art „Zumutbarkeitsgrenze“ geltend machen. Das Gesetz sieht hier für Arbeitgeber vor, dass bei einer Beschäftigung zwischen 46 bis 200 Mitarbeitern der Anspruch nur einem pro angefangene 15 Arbeitnehmer gewährt werden muss.
Soweit mehrere Anträge von Mitarbeitern zusammentreffen, gibt es keine Auswahlkriterien die das Gesetz hier vorsieht. Der Arbeitgeber hat seine Entscheidung, welchen Anträgen er bei Vorliegen der Voraussetzungen stattgibt, nach billigem Ermessen zu treffen. Hierbei ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbezug aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, die außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.“ Das heißt, es kommt immer auf die Verhältnisse des Einzelfalles an, ob eine solche Auswahl rechtmäßig ist oder nicht.

Darüber hinaus können Ablehnungsgründe auch durch einen Tarifvertrag festgelegt werden, § 8 Abs. 4 TzBfG. 

Fazit: 
Unterschiedliche Arbeitszeitmodelle und damit auch Teilzeit wird zunehmend stärker in den Unternehmen angeboten werden müssen, um einerseits den Anforderungen einer veränderten Gesellschaft und Arbeitswelt gerecht zu werden und andererseits auch als Arbeitgeber (weiter) attraktiv zu sein. Darüber hinaus können Teilzeitmodelle sofern damit beide Bedürfnisseiten – Mitarbeiter wie auch diejenigen des Unternehmens – erfüllt werden, sich sehr positiv auf die Arbeitsbeziehung und damit auch auf Motivation und Leistungsfähigkeit auswirken.
Der nunmehr gesetzliche Anspruch kann Mitarbeitern helfen, ihre individuellen Wünsche ggf. einfacher gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen zu können. Unternehmen geraten nun hier unter Umständen unter einen stärkeren Druck, Teilzeitbegehren zu erfüllen. Auf der anderen Seite werden Unternehmen, die ihre Arbeitszeiten flexibel auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern abstimmen und hier Wünsche bereitwillig umsetzen als ein attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Warum also nicht die Brückenteilzeit als Chance begreifen, sich mit neuen Teilzeitmöglichkeiten und Arbeitszeitmodellen positiv auseinander zu setzen? Wenn es einem Unternehmen gelingt, eine flexible Gestaltung von Zeit so in die eigene Organisation einzubinden, dass es das Unternehmen sogar stärker und produktiver macht – dann ist damit etwas gelungen, dass sowohl den berechtigten Bedürfnissen von Mitarbeitern als auch den berechtigten Bedürfnissen des Unternehmens dient: Dann ist Arbeitszeit ein Aspekt der Haltung und Kultur, der Erfüllung eines Anspruchs, der Arbeitgeberattraktivität und einer höheren Produktivität.  

Quellen:
1) Merkel/Steinat, Brückenteilzeit und weitere Änderungen im Teilzeitrecht, Der Betrieb, 2018, 3118
2)  BAG 24. 6. 2008 - 9 AZR 313/07
3) BeckOK ArbR/Bayreuther, 50. Ed. 1.1.2019, TzBfG § 9a

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Individuelle Zielvereinbarungen und agile Teams: Wie leistungsorientierte Vergütung regeln?

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Als Arbeitsrechtler – sei’s als Anwalt oder als Unternehmensjurist – begegnet man zunehmend den Wünschen und geradezu auch Sehnsüchten von Unternehmensleitungen, Betriebsräten und auch Mitarbeitern agile Arbeitsformen umzusetzen. Alles soll einfacher und leichter werden, alle haben eine große Sehnsucht nach „keep it simple“. Die Unternehmensleitungen sehnen sich nach einfachen Prozessen die einen höheren Ertrag des Unternehmens zur Folge haben. Die Mitarbeiter und auch die HR Abteilungen sehnen sich nach einer hohen Arbeitssouveränität der Mitarbeiter, mit dem Ziel, eigenständig entscheiden zu können, welche Tätigkeiten zu welchem Zeitpunkt auf welche Art und Weise der Mitarbeiter macht. Am liebsten wird in Gruppen gearbeitet, damit die Kreativität jedes einzelnen im Arbeitsprozess seinen Widerhall finden kann. Natürlich müssen dann auch Gruppen- Boni gezahlt werden, damit alle am Erfolg des ganzen Unternehmens oder der Abteilung partizipieren können und nicht lediglich an ihren individuellen Leistungen gemessen werden.


Inhalte:
Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur Kreativität!
Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarungen & Performance Management?
Agile Ziele brauchen Agile Instrumente
Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden


Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur Kreativität!
In solchen Situationen fragt man sich als Arbeitsrechtler natürlich spontan, wie soll man so etwas regeln, da das deutsche Arbeitsrecht nun keine speziellen Regelungen für agile Arbeitsformen zu kennen scheint.
Unternehmensleitungen, Betriebsräte und Mitarbeiter wünschen sich nun von Juristen einfache Systeme, wie z.B. Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen, die max. eine Seite umfassen und in „Du“-Form geschrieben sind.
Der Arbeitsrechtler denkt aus seiner Natur – und auch seinem Job - heraus weit in die Zukunft, und stellt sich die Frage, ob seine Vorschläge denn im Falle eines Konfliktes auch bei einem Gericht Wohlgefallen finden werden und „haltbar“ sind. Möglicherweise wird dann die Suche nach Mustern, Urteilen und Literatur beginnen, um die aus Sicht des Arbeitsrechtlers bestehende Risikolage zu reduzieren.

Im Rahmen einer solchen Recherche wird man dann feststellen, dass es überaus wenig Urteile, Muster oder auch Literatur mit einem konkreten Bezug zu dem Themenfeld „Agilität“ gibt. Das Gute an diesem  weiten Themenfeld ist nun für Juristen, dass hier die seltene Gelegenheit besteht, eigene Kreativität zur freien Entfaltung bringen zu können.

Eine der typischen Fragestellungen ist z.B. wie es sich bei agilen Teams mit Zielvereinbarungen verhält:
  •  Sind in diesen Strukturen überhaupt noch individuelle Ziele sinnvoll oder machbar? 
  •  Sind ggf. Teamboni besser - auch wenn keiner weiß, wohin bei "agil" die Reise   
     hingeht?
  •  Gibt es ein Problem der Zielkonkurrenz von "agil" und variablen Bestandteilen?

Auf diese Punkte gehe ich im Folgenden etwas näher ein.

Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarung &  Performance Management?
Der herkömmliche Performance-Prozess umfasst in der Regel Jahresziele für Mitarbeiter, die am Jahresanfang vereinbart und zum Jahresende „controlt“ werden.   Dieser Prozess erfreut sich oft bei Mitarbeitern und Führungskräften einer ähnlichen Beliebtheit wie das jährliche Mitarbeitergespräch – in manchen Organisationen ist beides sogar miteinander kombiniert. Unternehmen, Mitarbeiter und Führungskräfte bringen meist viel Zeit und Aufwand trotz bestehender Unzufriedenheit ein.

Und wofür das alles? Für den „extra Bonus“, den der Mitarbeiter als Belohnung für seine individuelle Zielerreichung bekommt – auch wenn das Unternehmensergebnis leider in diesem Jahr nicht erreicht wurde.

Anders ist es beim agilen Arbeiten. Agiles Arbeiten ist Teamarbeit. Zudem fördern und entwickeln agile Arbeitsweisen folgende Charakteristika:
  • Schnelligkeit & Flexibilität
  • Ausbau einer positiven Fehlerkultur
  • Vernetzung über verschiedene Bereiche
  • Offenheit & Transparenz
  • Das Lernen im Team und im Unternehmen

Nicht allein das Ergebnis der Leistung des Individuums entscheidet über den Erfolg sondern auch das Zusammenspiel und das Erreichen der gemeinsamen Team- und Unternehmensziele. Es bedarf daher auch eines erweiterten Verständnisses von Leistung, bei dem der Ertrag eine genauso wichtige Rolle spielt wie die Fähigkeit eines Unternehmens, sich stetig weiter zu entwickeln.
Unternehmen, denen das wichtig ist, benötigen Mitarbeiter, die selbständig „unternehmerische“ Entscheidungen treffen. Für ihre „Unternehmensperformance“ ist es von Bedeutung, dass ihre Mitarbeiter die Fähigkeit haben, sich anzupassen und notwendige Veränderung in der Zusammenarbeit zu gestalten. Die Art und Weise der Kooperation, ein kontinuierliches aus „den eigenen Erfahrungen lernen“ und stetiges Feedback sind damit wesentliche agile Erfolgsfaktoren. Im agilen Kontext ist Leistung mehr als reine Ergebniserfüllung.

Agile Ziele brauchen Agile Instrumente 
Auch in agilen Unternehmen wird mit Zielvereinbarungen gearbeitet. In seiner Wirkung unterschiedet sich ein „agiler“ Performance Prozess darin, dass er neben der Zielerreichung zu „agiler Leistung“ beiträgt, sie entwickelt, stärkt und fördert. Daher sollten Performance Instrumente zur agilen Arbeitsweise passen und die gleichen Kriterien erfüllen. (s.o.)
Agile Unternehmen verwenden daher ein Performance Management, das als (Lern-) Ziel hat, den Umgang mit Veränderung zu leben, mit hoher Komplexität umzugehen und ein unternehmerisches Denken bei allen zu stärken. Das Miteinander, das „Wie etwas getan wird“, ist eine wichtige Kraft. Agilität gelingt nur in der Vernetzung mit anderen. Das gemeinsame Comittment zur Zusammenarbeit betrifft hier ebenso die Zielbestimmung. 

Tabelle: B. Redmann

Damit das gelingt, sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen notwendigen regelmäßigen, lernenden und vernetzten Austausch ermöglichen. Wenn Mitarbeitergespräche, Leistungsbeurteilungen und Zielvereinbarungen als „agile“ Instrumente eingesetzt werden, bedeutet dies, dass die Gespräche aus einem gegenseitigen Verständnis von Gleichwertigkeit heraus verabredet und geführt werden. Soweit Einzelleistung betrachtet wird, sollte sie ebenfalls im Zusammenhang mit der Wertschöpfung für das gesamte Unternehmen gesehen und bewertet werden. Gewonnene Erfahrungen sollten schnell und unmittelbar in den gemeinsamen Arbeitsprozess integriert werden, damit Gelerntes direkt verankert und umgesetzt wird.

Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden
 Dieser gemeinschaftliche Ansatz – beginnend bei der Zielbestimmung bis hin zur Zielerreichung – wirkt sich konsequenterweise auf eine Erfolgsvergütung aus, soweit es eine Verknüpfung mit der Zielerreichung gibt. Auch dies ist eine Rahmenbedingung, die Zusammenwirken und damit Agilität fördern kann. Sofern sich ein Unternehmen entscheidet, Boni zu zahlen, erscheint es folgerichtig, diese nicht mehr als individuellen Gehaltsbestandteil des Einzelnen auszugestalten, sondern die gemeinsame Team- und auch die gemeinsame Unternehmensleistung mit einem gemeinsamen „Gruppenbonus“ zu entlohnen. Nicht das Zielergebnis des Einzelnen ist entscheidend, sondern das Erreichen der gemeinsamen Ziele. In einer vernetzten Arbeitsorganisation, in der Leistung und Kollaboration gefördert, incentiviert und unterstützt werden sollen, sind individuelle Boni nicht mehr zielführend. 

Was heißt das jetzt für eine arbeitsrechtliche Beurteilung?

Bei Zielvereinbarungen können Arbeitsrechtler auch im agilen Umfeld auf ein gewisses Maß an Urteilen und Literatur zurückgreifen und sich inspirieren lassen. Das BAG hat ausgeführt, dass „die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform mitbestimmungspflichtig sind“. Sollen im Rahmen eines „agilen Performance Managements“ Zielerreichungsprämien oder Teamboni gezahlt werden, so greift hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG (BAG, 22.06.2010, 1 AZR 853/08). Genauso verhält es sich mit tarifrechtlichen Normen (wie z.B. im Tarifvertrag der Metall- & Elektroindustrie), die als rechtliche, firmenspezifische Rahmenbedingungen zu beachten sind. Weitere Mitbestimmungsrechte können sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Datenverarbeitung bei der Erfassung und Beurteilung von Daten) sowie nach § 94 BetrVG (allgemeine Beurteilungsgrundsätze) ergeben. Mitbestimmungsfrei sind hingegen die Einführung und die Abschaffung des Zielvereinbarungssystems, ferner die Festlegung des begünstigten Personenkreises sowie der verfolgten Zwecke und Ziele.
Der Arbeitgeber kann eine leistungsbezogene Vergütung jedoch nicht an die Bedingung knüpfen, dass der Mitarbeiter zu einem Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung (BAG, 5.7.2011, 1 AZR 94/10; BAG, 12.4.2011, 1 AZR 412/09).

Dieser Beitrag ist auf dem Expertenforum Arbeitsrecht #EFAR erschienen: https://efarbeitsrecht.net/zielvereinbarungen-und-agile-teams/


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