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Als Arbeitsrechtler – sei’s als Anwalt
oder als Unternehmensjurist – begegnet man zunehmend den Wünschen und geradezu
auch Sehnsüchten von Unternehmensleitungen, Betriebsräten und auch Mitarbeitern
agile Arbeitsformen umzusetzen. Alles soll einfacher und leichter werden, alle
haben eine große Sehnsucht nach „keep it simple“. Die Unternehmensleitungen
sehnen sich nach einfachen Prozessen die einen höheren Ertrag des Unternehmens
zur Folge haben. Die Mitarbeiter und auch die HR Abteilungen sehnen sich nach
einer hohen Arbeitssouveränität der Mitarbeiter, mit dem Ziel, eigenständig
entscheiden zu können, welche Tätigkeiten zu welchem Zeitpunkt auf welche Art
und Weise der Mitarbeiter macht. Am liebsten wird in Gruppen gearbeitet, damit
die Kreativität jedes einzelnen im Arbeitsprozess seinen Widerhall finden kann.
Natürlich müssen dann auch Gruppen- Boni gezahlt werden, damit alle am Erfolg
des ganzen Unternehmens oder der Abteilung partizipieren können und nicht
lediglich an ihren individuellen Leistungen gemessen werden.
Inhalte:
Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur
Kreativität!
Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarungen
& Performance Management?
Agile Ziele brauchen Agile Instrumente
Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden
Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur Kreativität!
In solchen Situationen fragt man sich
als Arbeitsrechtler natürlich spontan, wie soll man so etwas regeln, da das
deutsche Arbeitsrecht nun keine speziellen Regelungen für agile Arbeitsformen
zu kennen scheint.
Unternehmensleitungen, Betriebsräte und Mitarbeiter wünschen sich nun von Juristen
einfache Systeme, wie z.B. Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen, die
max. eine Seite umfassen und in „Du“-Form geschrieben sind.
Der Arbeitsrechtler denkt aus seiner Natur – und auch seinem Job - heraus weit
in die Zukunft, und stellt sich die Frage, ob seine Vorschläge denn im Falle
eines Konfliktes auch bei einem Gericht Wohlgefallen finden werden und
„haltbar“ sind. Möglicherweise wird dann die Suche nach Mustern, Urteilen und
Literatur beginnen, um die aus Sicht des Arbeitsrechtlers bestehende Risikolage
zu reduzieren.
Im Rahmen einer solchen Recherche wird
man dann feststellen, dass es überaus wenig Urteile, Muster oder auch Literatur
mit einem konkreten Bezug zu dem Themenfeld „Agilität“ gibt. Das Gute an diesem
weiten Themenfeld ist nun für Juristen,
dass hier die seltene Gelegenheit besteht, eigene Kreativität zur freien
Entfaltung bringen zu können.
Eine der typischen Fragestellungen ist
z.B. wie es sich bei agilen Teams mit Zielvereinbarungen verhält:
- Sind in diesen Strukturen überhaupt noch individuelle Ziele sinnvoll oder machbar?
- Sind ggf. Teamboni besser - auch wenn keiner weiß, wohin bei "agil" die Reise
hingeht? - Gibt es ein Problem der Zielkonkurrenz von "agil" und variablen Bestandteilen?
Auf diese Punkte gehe ich im Folgenden etwas näher ein.
Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarung
& Performance Management?
Der herkömmliche Performance-Prozess umfasst
in der Regel Jahresziele für Mitarbeiter, die am Jahresanfang vereinbart und
zum Jahresende „controlt“ werden. Dieser
Prozess erfreut sich oft bei Mitarbeitern und Führungskräften einer ähnlichen
Beliebtheit wie das jährliche Mitarbeitergespräch – in manchen Organisationen
ist beides sogar miteinander kombiniert. Unternehmen, Mitarbeiter und
Führungskräfte bringen meist viel Zeit und Aufwand trotz bestehender Unzufriedenheit
ein.
Und wofür das alles? Für den „extra Bonus“,
den der Mitarbeiter als Belohnung für seine individuelle Zielerreichung bekommt
– auch wenn das Unternehmensergebnis leider in diesem Jahr nicht erreicht wurde.
Anders ist es beim agilen Arbeiten. Agiles
Arbeiten ist Teamarbeit. Zudem fördern und entwickeln agile Arbeitsweisen
folgende Charakteristika:
- Schnelligkeit & Flexibilität
- Ausbau einer positiven Fehlerkultur
- Vernetzung über verschiedene Bereiche
- Offenheit & Transparenz
- Das Lernen im Team und im Unternehmen
Nicht allein das Ergebnis der Leistung des
Individuums entscheidet über den Erfolg sondern auch das Zusammenspiel und das
Erreichen der gemeinsamen Team- und Unternehmensziele. Es bedarf daher auch eines
erweiterten Verständnisses von Leistung, bei dem der Ertrag eine genauso
wichtige Rolle spielt wie die Fähigkeit eines Unternehmens, sich stetig weiter
zu entwickeln.
Unternehmen, denen das wichtig ist, benötigen
Mitarbeiter, die selbständig „unternehmerische“ Entscheidungen treffen. Für
ihre „Unternehmensperformance“ ist es von Bedeutung, dass ihre Mitarbeiter die
Fähigkeit haben, sich anzupassen und notwendige Veränderung in der
Zusammenarbeit zu gestalten. Die Art und Weise der Kooperation, ein
kontinuierliches aus „den eigenen Erfahrungen lernen“ und stetiges Feedback
sind damit wesentliche agile Erfolgsfaktoren. Im agilen Kontext ist Leistung
mehr als reine Ergebniserfüllung.
Agile Ziele brauchen Agile Instrumente
Auch in agilen Unternehmen wird mit
Zielvereinbarungen gearbeitet. In
seiner Wirkung unterschiedet sich ein „agiler“ Performance Prozess darin, dass
er neben der Zielerreichung zu „agiler Leistung“ beiträgt, sie entwickelt,
stärkt und fördert. Daher sollten Performance Instrumente zur agilen
Arbeitsweise passen und die gleichen Kriterien erfüllen. (s.o.)
Agile Unternehmen verwenden daher ein
Performance Management, das als (Lern-) Ziel hat, den Umgang mit Veränderung zu
leben, mit hoher Komplexität umzugehen und ein unternehmerisches Denken bei
allen zu stärken. Das Miteinander, das „Wie
etwas getan wird“, ist eine wichtige Kraft. Agilität gelingt nur in der
Vernetzung mit anderen. Das gemeinsame Comittment zur Zusammenarbeit betrifft
hier ebenso die Zielbestimmung.
Tabelle: B. Redmann |
Damit das gelingt, sind Rahmenbedingungen zu
schaffen, die einen notwendigen regelmäßigen, lernenden und vernetzten
Austausch ermöglichen. Wenn Mitarbeitergespräche, Leistungsbeurteilungen und
Zielvereinbarungen als „agile“ Instrumente eingesetzt werden, bedeutet dies,
dass die Gespräche aus einem gegenseitigen Verständnis von Gleichwertigkeit
heraus verabredet und geführt werden. Soweit Einzelleistung betrachtet wird,
sollte sie ebenfalls im Zusammenhang mit der Wertschöpfung für das gesamte Unternehmen
gesehen und bewertet werden. Gewonnene Erfahrungen sollten schnell und
unmittelbar in den gemeinsamen Arbeitsprozess integriert werden, damit
Gelerntes direkt verankert und umgesetzt wird.
Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden
Was heißt das jetzt für eine
arbeitsrechtliche Beurteilung?
Bei Zielvereinbarungen können Arbeitsrechtler
auch im agilen Umfeld auf ein gewisses Maß an Urteilen und Literatur
zurückgreifen und sich inspirieren lassen. Das BAG hat ausgeführt, dass „die
Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform
mitbestimmungspflichtig sind“. Sollen im Rahmen eines „agilen Performance
Managements“ Zielerreichungsprämien oder Teamboni gezahlt werden, so greift
hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG (BAG, 22.06.2010, 1 AZR 853/08). Genauso verhält es sich mit tarifrechtlichen Normen (wie
z.B. im Tarifvertrag der Metall- & Elektroindustrie), die als rechtliche,
firmenspezifische Rahmenbedingungen zu beachten sind. Weitere
Mitbestimmungsrechte können sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
(Datenverarbeitung bei der Erfassung und Beurteilung von Daten) sowie nach § 94
BetrVG (allgemeine Beurteilungsgrundsätze) ergeben. Mitbestimmungsfrei sind
hingegen die Einführung und die Abschaffung des Zielvereinbarungssystems,
ferner die Festlegung des begünstigten Personenkreises sowie der verfolgten
Zwecke und Ziele.
Der Arbeitgeber kann eine leistungsbezogene Vergütung jedoch nicht an die Bedingung knüpfen, dass der Mitarbeiter zu einem Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung (BAG, 5.7.2011, 1 AZR 94/10; BAG, 12.4.2011, 1 AZR 412/09).
Der Arbeitgeber kann eine leistungsbezogene Vergütung jedoch nicht an die Bedingung knüpfen, dass der Mitarbeiter zu einem Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung (BAG, 5.7.2011, 1 AZR 94/10; BAG, 12.4.2011, 1 AZR 412/09).
Dieser Beitrag ist auf dem Expertenforum Arbeitsrecht #EFAR erschienen: https://efarbeitsrecht.net/zielvereinbarungen-und-agile-teams/
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