Dienstag, 23. April 2019

Trotz Motz und ...otz - einfach atmen & ein gute Laune-Gespräch führen!

Unsplash Andre Hunter

Haben Sie auch manchmal schlechte Laune bei der Arbeit? Der Berg an to do´s wird einfach nicht weniger: kaum ist eine Aufgabe weg – zack, liegt schon die nächste auf dem Tisch…Vielleicht kennen Sie auch das Gefühl, von Termin zu Termin zu jagen? Zeit ist ja in den Unternehmen das „neue Gold“ – was leider nicht heißt, dass Meetings seltener werden: Gefühlt wird am besten alles schon auf Monate im Voraus geblockt und verplant, so dass für aktuelle Fragestellungen oder Austausche meist gar keine Zeitfenster zur Verfügung stehen. Ob die gemeinsamen Treffen dann Wochen später noch Sinn machen steht auf einem ganz anderen Blatt…Und dann die Meetings selber: wer kennt es nicht, die stundenlangen Debatten über fadenscheinige Themen? Je „ungefährlicher“ ein Punkt ist, desto länger wird darüber gesprochen und noch die letzte Facette herausgebohrt. Beliebt auch die „was-könnte-passieren-wenn-Diskussionen“. Da kann es schon mal vorkommen, dass in einer Führungsrunde hochbezahlte Manager 4 Stunden darüber sprechen, wie am besten Entscheidungen zu treffen sind. Für die wesentlichen Dinge – wie die Entscheidung selbst – bleibt dann oft nur wenige oder keine Zeit mehr übrig…

Inhalt: 
Täglich grüßt der Alltag
Arbeit gibt uns Sinn
Eine Erklärung macht noch keine Lösung
Emotional stabil in einer nicht perfekten Arbeitswelt
Für mich zu sorgen statt mich zu ärgern
Fazit

Täglich grüßt der Alltag...  

Und kennen Sie auch das: Sie geben jeden Tag Ihr Bestes, übernehmen Verantwortung, treffen Entscheidungen und bemühen sich noch schnell den Vertragsentwurf / das Vorstellungsgespräch / die Abrechnung (oder eine andere beliebige Aufgabe) vor Ostern (oder einem anderen beliebigen Feiertag) zu erledigen. Denn der Chef oder der Kollege hatte es soooo brandeilig – und sie beeilen sich, investieren mehr Stunden in die komplizierte Vertragserstellung als eigentlich ihre tägliche Arbeitszeit hergibt, telefonieren stundenlang mit dem Bewerber und finden schließlich einen noch möglichen Termin, und brauchen dann – um den Vorgang abzuschließen - nur noch eine fachliche Rückmeldung, eine Unterschrift, eine Entscheidung (oder eine andere beliebige Interaktion) ihres Chef´s oder Kollegen und stellen fest: der ist bereits schon im Urlaub (oder einfach  nicht mehr erreichbar). … Frustrierend oder? Zehrt an den Nerven und macht nicht so viel Spaß – oder? Und doch für viele ein normales Bild im Alltag – oder?

Arbeit gibt uns Sinn
Unsere Arbeit und unser Arbeitsumfeld – alles, was damit zusammenhängt – entscheidet ganz erheblich über die Zufriedenheit in unserem Leben. Wie wir uns mit unserer Arbeit und in unserem Unternehmen fühlen hat damit ganz großen Einfluss darauf, ob wir glücklich sind. Arbeit ist ein menschliches Grundbedürfnis, verbunden mit Herausforderungen, Selbstwertgefühl, Anerkennung und vor allem auch Resonanz. Resonanz mit den anderen (Kollegen, dem eigenen Team, dem Chef…) und auch damit, was der Einzelne mit seinem Tun direkt bewirken kann. Arbeit gibt uns Identität und trägt nicht zuletzt zur Sicherung unseres Lebensunterhaltes bei. Sie bietet uns damit ein starkes Fundament, sowohl äußere (Versorgung) wie innere Bedürfnisse (Selbstverwirklichung) erfüllt zu bekommen. Der Grad der Erfüllung hängt dabei stark davon ab, was wir als Gegenwert für unsere Arbeitsleistung bekommen. Werden Menschen danach befragt, was Arbeit für sie bedeutsam macht, ist Geld nicht die erste Antwort. Vielmehr spielt die Sinnfrage hier eine zentrale Rolle.

In der bisherigen Forschung wird Arbeit daher als eine elementare Grundlage angesehen, die Sinn stiften kann. Ergebnisse aus einer Studie im Rahmen des aktuellen Fehlzeitenreports weisen darauf hin, dass dabei nicht nur „Eigenschaften der arbeitenden Person, sondern auch die gelebten Werte des Unternehmens entscheidend dafür sind, dass Sinnerleben am Arbeitsplatz stattfinden kann. Zusätzlich tragen auch Merkmale der Arbeitsaufgabe und die Passung von Person und Tätigkeit zum Sinnerleben bei.“ Ob also eine Arbeit als sinnvoll empfunden wird hängt davon ab, wie bedeutsam die Tätigkeit für andere ist, wie stark eine Zugehörigkeit zum Unternehmen empfunden wird, welches Werteverständnis in der Organisation gelebt wird und wie gut der Mitarbeiter hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Persönlichkeit auf die geforderte Aufgabe passt.

Eine Erklärung macht noch keine Lösung
Das klingt alles logisch. Und damit lässt sich dann vielleicht auch die schlechte Laune bei der Arbeit erklären: denn dann sind diese genannten Punkte wie 
  •         Ich fühle mich meinem Unternehmen zugehörig
  •         Meine Tätigkeit ist bedeutsam (sinnvoll) für andere        
  •      Mein eigenes Werteverständnis passt zu dem meiner Organisation 
         
    (und damit auch zu dem meiner Kollegen...)  
  •         Ich passe mit meinen Fähigkeiten zu meiner Aufgabe

 wahrscheinlich nicht oder nicht ausreichend erfüllt… 
Und jetzt? Was tun? Alleine die Erklärung – oder eine mögliche - hierfür zu haben hilft mir ja nicht, meinen Lebensunterhalt zufrieden zu bestreiten. Und vom bedingungslosen Grundeinkommen sind wir ja noch etwas entfernt. Klar – kündigen, einen neuen Arbeitgeber suchen – auf jeden Fall ist das dann wahrscheinlich die beste Lösung, wenn ein Zustand bei einem Arbeitgeber unerträglich geworden ist. Ob es jedoch tatsächlich  „den Traumarbeitsplatz“ gibt, an dem alles stimmt und der dann z.B. noch nah am eigenen Wohnort liegt, genau die Arbeitszeiten bietet, die man sich wünscht, die Kollegen auch noch echte neue Freunde werden und wo Bezahlung & Benefits einfach stimmen… das bezweifle ich. 😉 


Emotional stabil in einer nicht perfekten Arbeitswelt
Vielmehr glaube ich, dass  es zukünftig viel mehr darum gehen muss, wie wir mit diesen Situationen der „nicht perfekten Arbeitswelt“ umgehen können. Wie gelingt es uns, hier die notwendige Gelassenheit an den Tag zu legen, dass uns die „schlechte Laune“ nicht bis in den Feierabend hinein runterzieht? Wie schaffen wir es, dass wir trotz eingefahrener Muster, immer wieder engagiert daran arbeiten, schlechte und unwirtschaftliche Prozesse in unseren Organisationen zu verändern – oder, wenn das ein Kampf gegen Windmühlen sein sollte – dies dann auch hinnehmen zu können und uns darauf fokussieren, was an Tätigkeiten oder Abläufen wir selber beeinflussen können? Wie schaffen wir es, respektvolles Feedback geben und nehmen zu können und damit gleichzeitig in unserer internen Kommunikation im Unternehmen zu wachsen?

Es geht hier nicht darum, unsere „schlechte Laune“ hinzunehmen – es geht darum im Jammern nicht stecken zu bleiben sondern aktiv und selbstbestimmt unser Arbeitsumfeld zu gestalten.

Für mich zu sorgen statt mich zu ärgern
Ob es hier den einzig richtigen Weg hierfür gibt? Ich glaube nicht. Wichtig ist, herauszufinden, was jeder für sich selbst benötigt, um „in einem guten Zustand“ zu sein. Das heißt, die eigenen Ressourcen zu kennen, die „die Batterien“ bestmöglich aufladen – um sich dann von der wenn auch leider nicht perfekten jedoch oftmals einfach realen Arbeitswelt – nicht runterziehen zu lassen.  

Also, - was tut Ihnen gut? Ist es der Sport, das leckere Abendessen mit Freunden, Urlaube und Reisen oder viel Zeit mit der Familie zu verbringen, ein Hobby…? Wichtig ist, etwas zu tun, was Ihnen wirklich gut tut! Was ist das, was bei Ihnen uneingeschränkt „schöne, gute Gefühle“ auslöst? Woraus können Sie Kraft tanken? Das kann auch mal etwas ganz kleines sein, wie einfach nur bewusst zu atmen oder draußen dem Vogelgezwitscher zuzuhören. Wann haben Sie z.B. zuletzt die Vögel draußen gehört und „gute Luft“ eingeatmet? Kostet nix und kann man direkt umsetzen.😊 Es kann natürlich auch durch regelmäßiges Entspannen, kleine Auszeiten, Spaziergänge oder Yoga sein. Interessanterweise ist jetzt ein Kurs in Yoga sogar vom Landesarbeitsgericht Berlin – unter bestimmten Voraussetzungen – als Bildungsurlaub anerkannt worden.   

Fazit
Warum wir beim Arbeiten ggf. schlechte Laune bekommen, lässt sich erklären. Das wir sie wieder loswerden können  - darauf können wir selber Einfluss nehmen. Und mein Tipp an Unternehmen: genau hierbei können sie ihre Mitarbeiter unterstützen:
Wenn Sie möchten, dass ihre Mitarbeiter alles geben, im Sinne des Unternehmens denken, handeln und sich einfach von den oft so menschlichen Widrigkeiten des Alltags nicht unterkriegen und abhalten lassen, das Unternehmen gemeinsam besser zu machen, dann sorgen sie dafür, dass ihre Mitarbeiter ihre Ressourcen aufladen können.
Das setzt erstens voraus, dass ihre Mitarbeiter überhaupt wissen, was ihnen gut tut und zweitens, sich trauen, mit ihnen darüber zu sprechen.
Hier in einen – vertrauensvollen und offenen -  gemeinsamen Austausch zu gehen, dem Mitarbeiter  Impulse zu setzen oder einfach mal nachzufragen, kann ein guter Anfang sein. Und für alle Freunde von Mitarbeitergesprächen: Wie wäre es, das nächste Mitarbeitergespräch einfach mal über gute Laune zu führen und was dazu beitragen kann, sie zu haben? Vielleicht macht das ja dann sogar allen Spaß. 😉

Quellen/Hinweise
1) Badura, Ducki, Schröder, Klose, Meyer, Fehlzeiten-Report 2018, Springer
2) BMAF Wertewelten Arbeiten 4,0
3) EY Jobstudie 2017; EY Studentenstudie 2018
5) https://www.spiegel.de/karriere/urteil-in-berlin-yogakurs-zaehlt-als-bildungsurlaub-a-1263148.html; LAG Berlin Urteil vom 11.04.2019, Aktenzeichen 10 Sa 2076/18

Dienstag, 26. März 2019

Das moderne Unternehmen – eine „positive Emotionswelt“


Foto Unsplash

Nur“ Geld war gestern – Attraktive Arbeitgeber zahlen in „neuen Währungen“
In meinen unterschiedlichen Rollen als Leiterin Unternehmensentwicklung & HR als auch als beratende Anwältin erlebe ich fast täglich, wie sich Unternehmen hart anstrengen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und  diese möglichst langfristig zu binden. Dabei geht es nicht nur um „irgendwelche“ Mitarbeiter – nein, es sollen die „besten“ Mitarbeiter sein. Mitarbeiter, mit denen Unternehmen glauben die Herausforderungen einer globalen Wirtschaft und digitalen Zukunft bewältigen zu können.

Inhalt:
Verbundenheit ist nicht käuflich
#NewWork braucht neue Währungen
Unternehmen als "positive Emotionswelt"
Die Mischung macht´s
Fazit

Verbundenheit ist nicht käuflich
So wie sich ein Wandel in unserer Arbeitswelt weg von stark repetitiven und damit wenig attraktiven Aufgaben hin zu kreativen und schöpferischen Gestaltungsaufgaben von Mitarbeitern vollzieht, so verliert zunehmend auch der Ansatz eines rein finanziell geprägten Vergütungssystems seine Wirkung.
Doch wenn eine hohe Vergütung der einzige Grund ist, in einem Unternehmen tätig zu sein und zu bleiben, dann ist auch die  Verbundenheit zum Unternehmen ausschließlich auf finanzielle Motive gegründet. Was nichts anderes bedeutet, dass sobald ein anderer Arbeitgeber ein höheres Gehalt zahlt, der Mitarbeiter dann wohl zu diesem anderen Arbeitgeber wechselt. In letzter Konsequenz ist „das Finanzielle“- auch aus Sicht des Arbeitgebers - also keine wirklich verlässliche Grundlage für eine starke längerfristige Beziehung und Verbundenheit zum Unternehmen.

Diesem Phänomen bin ich nun näher auf dem Grund gegangen und habe mich gefragt, wie denn eine Vergütung sein muss, damit sie eine getragene Verbundenheit schafft. 

#NewWork braucht neue Währungen
Schon aus den oben genannten Gründen, aber auch weil sich unsere bisher eher tradierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen aufgrund veränderter Rollen weiterentwickeln und gleichzeitig vermehrt unterschiedliche individuelle Wünsche und Forderungen der Arbeitnehmer bedient werden dürften, bedarf es auch weiterer – und zwar wesentlich vielfältigerer - Lösungen für das Thema Vergütung. „Neue Arbeit“ fordert dies konsequenterweise ein. Wir können nicht einerseits über Augenhöhe, Auflösung von Arbeitsorten, flexible Arbeitszeiten, anspruchsvolle Arbeitsaufgaben als „Neue Arbeit“ sprechen und andererseits dabei die Vergütungssysteme so belassen, wie sie klassisch sind. Auch Vergütung muss im Sinne von einer „Neuen Arbeit“ „agil“ werden und kann dabei den bisher schon verfügbaren rechtlichen Handlungsspielraum ausschöpfen. 
Zukünftig brauchen Unternehmen verstärkt Systeme, die einerseits die finanziellen und die - mindestens genauso wichtigen - nicht finanziellen individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitern erfüllen und zum anderen natürlich die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten des Unternehmens berücksichtigen und auch sichern.
Wenn es gelingt, entsprechende Systeme zu implementieren, dann kann dies wertvolle Auswirkungen auf die betriebliche Atmosphäre haben: so können dann auch regelmäßige Impulse entstehen, die z.B. dazu beitragen können, die in Belegschaften stets vorhandenen Unzufriedenheiten oder sogar auch Ängste (Existenzangst, Zukunftsangst, Angst vor Kontrollverlust…) zu mildern.

Unternehmen als "positive Emotionswelt"
Das alles eröffnet die Chance bzw. setzt voraus, nicht nur den Blick auf die „neuen Wünsche“ und Bedürfnisse der Beschäftigten zu erweitern sondern hier  auch gerade nicht-monetäre Anreize stärker in den Fokus zu nehmen, die diesen Wünschen und Bedürfnissen gerecht werden können. Das Unternehmen als eine „positive Emotionswelt“ gestalten.

Dafür bedarf es einer richtigen Mischung aus monetären und nicht-monetären Komponenten.

Die Mischung macht´s
Doch was ist nun die richtige Mischung? Diese exakt zu finden wird wohl nicht pauschal für jedes Unternehmen gleich zu beantworten sein sondern von den jeweiligen  Mitarbeitertypen und auch deren  Wünschen und Bedürfnisse  abhängen. Wir Menschen ticken nun mal alle anders… Bedeutet dass, dass ich als Arbeitgeber nun für jeden Mitarbeiter ein ganz eigenes Modell stricken müsste? Das wäre vom Aufwand wohl kaum zu leisten. Doch ganz ohne Veränderung wird es nicht gehen: Für Unternehmen bedeutet dies, wesentlich flexibler zu werden, was ihre Vergütungssystematiken anbelangt. In meinen Recherchen hat sich gezeigt, dass gerade Faktoren, die vor allem keine klassischen  Gehaltsbestandteile sind gegenwärtig einen enormen Einfluss auf die Entscheidung von Arbeitnehmern zu welchem Arbeitgeber sie gehen bzw. bei welchem sie auch bleiben.

Insofern bieten sich hier für Unternehmen gerade jetzt neue Chancen, Mitarbeitern Vorteile zu gewähren – Vorteile also als eine Art Währung – die auf die Organisationsgestaltung, bestimmte Arbeitsweisen und besondere Formen der Zusammenarbeit bzw. auch kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das können agiles Arbeiten, mobiles Arbeiten, Innovation Labs, selbstorganisierte Teams, #NewPay, flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitautonomie, etc. sein. Es handelt sich also um Vorteile, die man sich mit Geld nicht kaufen kann, die aber dafür entscheidend sein können, ob sich ein Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlt.

Fazit
Wollen Unternehmen also zukunftsfähig werden oder bleiben, setzt dies eine genaue Kenntnis der Wünsche und Ansprüche der  Mitarbeiter voraus, um diese für sich zu überzeugen und nachhaltig zu gewinnen. Und nicht nur das: die Unterschiedlichkeit bzw. die Individualität der Bedürfnisse nimmt auf beiden Seiten zu und geht  über die herkömmliche und legitime gegensätzliche Interessenlage zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinaus. 

Es wird daher nicht (mehr) „die eine richtige Lösung“ geben sondern vielmehr bedarf es Vergütungssysteme mit verschiedenen bzw. multiplen Vergütungsangeboten, die hier den vielfältigen unterschiedlichen Begehren und Ansprüchen gerecht werden.

Wenn es mehr interessiert, wie das konkret gehen kann, welche Bedürfnisse von welcher „Währung“ erfüllt werden können und was sich hieraus auch für Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen ergeben, - das findet sich in ausführlicher Darstellung in meinem Buch
Es darf bestellt werden 😉 

Donnerstag, 21. Februar 2019

Agile Transformation braucht Gefühle – wenn Arbeitsrecht auf Organisationswandel trifft

Foto: Unsplash

In Deutschland folgt eigentlich jede Veränderung einem detaillierten Plan.  In der agilen Transformation folgt eigentlich jeder  Plan  irgendwann immer der sich gestaltenden Veränderung: „AgilesMindset vs. GermanPlan Mindset“

Entscheidet sich nun ein Unternehmen, sich in seiner Organisationsform hin zu einer agilen – meist flacheren und flexibleren – Arbeitsorganisation zu verändern (oder besser: zu transformieren) kann dies schon mal zu der ein oder anderen Herausforderung führen. Das betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern als auch die Zusammenarbeit   mit einem ggf. im Unternehmen bestehenden  Betriebsrat.
Ein Ausgangspunkt der Betrachtung ist idR die „Angst vor der Veränderung“ – unser „German Angst“ Mindset, eine Prise „Steuerungsfetischismus“ und die Angst vor einem Kontrollverlust. Dann wird häufig nach einem Plan verlangt, der die Risiken reduziert und schon durch die Existenz oder das Verhandeln eines Plans beginnt das Entstehen des ersehnten Gefühls der Sicherheit.

Inhalt: 
Interessenausgleich + Sozialplan heißen die Pläne auf "arbeitsrechtlich"
Das Ziel weist den Weg!
Agilität stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen
Einzahlen auf eine Emotionskultur
Gefühle sind der Schlüssel

Interessenausgleich + Sozialplan heißen die Pläne auf "arbeitsrechtlich"
Das deutsche Arbeitsrecht hat dieser Psychologie in bemerkenswerter Weise Rechnung getragen, denn im Betriebsverfassungsgesetz heißen „die Pläne“ „Interessenausgleich“ und „Sozialplan“. Und da diese Pläne durch Betriebsräte mitgestaltet werden, haben die Mitarbeiter auch keinen Kontrollverlust, da man anhand der Pläne – es sind halt unbestechliche objektivierte Maßstäbe - genau feststellen kann, wenn es zu riskanten und/oder auch nur ungewollten Abweichungen von diesen Plänen kommt.

Wie kann man nun angesichts einer solchen psychologischen und rechtlichen Ausgangslage eine „agile Transformation“ erfolgreich in die Wege leiten? 

Das Ziel weist den Weg!
Das Ziel weist den Weg! Der Trend bei agilen Organisationsgestaltungen geht eher weg von einer hierarchischen Form hin zu einer Netzwerkbildung. Dies ist oftmals verbunden mit einer erweiterten Verantwortungsübernahme in den Teams selbst  - Stichwort: Selbstorganisation. Damit einher geht auch die Selbstführung in den Teams, was gleichzeitig weniger Führungsaufgaben bei einzelnen Führungskräften zur Folge hat.
Das alles bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Rolle von Arbeitgeber und Mitarbeitern: sie verlieren an der bisherigen Kontur…aber sie gewinnen an Kontrolle über die Veränderungen und gestalten sie aktiv mit!. Dies erzeugt Transparenz und Sicherheit. 

Bisherige Rollen und das Selbstverständnis von Führungskräften und Mitarbeitern verändern sich folglich durch einen agilen Transformationsprozess.

Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Personalabteilungen: diese müssen Führungskräfte und Mitarbeiter im Prozess zu einer agilen Organisation begleiten und stärken und emotionale Impulse behutsam und wertschätzend begleiten und aufnehmen.

Agilität stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen
Die Bewältigung – und vor allem auch die gemeinsame Bewältigung – dieser  Veränderung in der Arbeitsbeziehung zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und auch Betriebsräten stellt gerade das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen. Unser Arbeitsrecht würde zu einer Zeit konzipiert, da war die Idee der Agilität noch gar  nicht in der Welt 😉
Damit agile Spielräume so weit wie möglich erschlossen werden können, ist es aber wichtig, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und zu beachten, in denen sich Arbeitgeber bewegen dürfen. Sind diese bekannt, kann agiles Arbeiten schöpferisch und rechtssicher gestaltet werden. Denn jede Abweichung vom Recht ist aus Sicht vieler Zeitgenossen eine Abweichung „vom rechtlichen Plan“ und daher nicht tolerierbar!

Einzahlen auf eine Emotionskultur
Darüber hinaus schafft und braucht (!) Agilität auch eine bestimmte Unternehmenskultur. Sofern sich Unternehmen also dafür entscheiden, agil zu arbeiten, ist das ein Einzahlen auf eine Vertrauenskultur und damit eine Emotionskultur. Und damit dieses Vertrauen belastbar  wird, sind bestimmte rechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Rechtliche Regelungen schaffen Transparenz und Verbindlichkeit. Diese erzeugen Verlässlichkeit und erlebte und erfahrene  Verlässlichkeit schafft Vertrauen.
Genauso wie Personaler sind also auch Betriebsräte wichtige Funktionsträger und Mitgestalter in Unternehmen und Organisationen. Und genauso wie für Personaler ist es auch Teil der Aufgabe eines Betriebsrates, auf rechtliche Konformität zu achten. Und natürlich geht es auch beim agilen Arbeiten um rechtliche Belange, die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern und Mitbestimmungsangelegenheiten von Betriebsräten betreffen. Veränderungen in den Tätigkeiten und Organisationseinheiten, Einführung von mobilem Arbeiten, Auflösung von z.B. Einzelbüros zugunsten einer anderen Raumgestaltung und/oder auch die Anwendung bestimmter Arbeitsmethoden wie z.B. Scrum oder Design Thinking können rechtliche Auswirkungen sowohl für den einzelnen Arbeitnehmer (individualrechtlich) als auch bezogen auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (kollektivrechtlich) haben.  


#Legal Check
Individualrechtlich, z.B.
Kollektivrechtlich, z.B.:
Versetzung
§ 99 BetrVG Mitbestimmung
Persönlichkeitsrecht
§ 87 BetrVG Mitbestimmung
Arbeitsschutz
§§ 111, 112 BetrVG Mitbestimmung
Datenschutz
§ 90 BetrVG Unterrichtung / Beratung
Arbeitszeitgesetz, Teilzeitbefristungsgesetz, etc.
§ 92 BetrVG Unterrichtung / Beratung
AGG
§ 80 BetrVG Überwachung
Tabelle: B. Redmann

Die oben erwähnte große agile Gestaltungsfreiheit verlangt von allen betrieblichen Akteuren also einen Mix besonderer Emotionen und Eigenschaften: Mut, Pioniergeist und mehr Kreativität zum Ausprobieren von praktischen Lösungen. Hier sind alle gefragt. Mitarbeiter, Personaler, Betriebsräte, Führungskräfte, Firmeninhaber…
Einer alleine kann hier wenig bewegen: Eine agile Transformation lebt und vollendet sich durch „das Gemeinsame“. 
Das wird dem einen leichter und dem anderen schwerer fallen: wir sind alle Menschen und dem einen fallen Veränderungen oder Ideen für neue Herangehensweisen als auch die Gelassenheit, etwas auszuprobieren leichter als einem anderen. Dieser Umgang mit Veränderung hat auch meines Erachtens nichts mit der “ bisherigen Rolle eines Menschen im Unternehmen zu tun sondern eher mit der  Persönlichkeit.

Gefühle sind der Schlüssel
Umso wichtiger, in einem agilen Transformationsprozess, das hier Unternehmensleitung und Personalbereich gemeinsam mit dem Betriebsrat die Veränderung angehen und hier als positive emotionale Vorbilder und Teile eines „agilen Transformationsteams“ zusammenarbeiten und gestalten. 
Am Ende muss ich einräumen, dass mir diese Zusammenhänge nicht aufgefallen sind, weil ich Juristin und Anwältin bin, sondern wegen meiner weiteren Erfahrungen als Coach oder Mediatorin. Das Recht klammert Gefühle halt gern aus…die Wirklichkeit nicht 😊

Quellen/Hinweise
1) Redmann, Britta, Agiles Arbeiten im Unternehmen, Haufe, 2017



Donnerstag, 31. Januar 2019

Brückenteilzeit - Wie Mitarbeiter und Arbeitgeber das Beste daraus machen

Unsplash - Christian Holzinger


„Teilzeitest Du schon oder arbeitest Du noch?“ – frei nach dem Slogan eines schwedischen Möbelhauses könnten auch Arbeitgeber hier  mit attraktiven Arbeitszeitbedingungen Mitarbeiter „anwerben“. So ist Arbeitszeit zunehmend ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, wenn es um die Gewinnung von neuen Mitarbeitern geht. Und nicht nur das: jeder Arbeitgeber möchte natürlich nicht nur neue sondern vor allem auch die besten Mitarbeiter bekommen und natürlich auch die besten Mitarbeiter die bei ihm schon beschäftigt sind zuverlässig an sich binden. Um hier als attraktiver Arbeitgeber mitspielen zu können, heißt das, sich auf die Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeitern einzulassen. Und die besten Mitarbeiter wollen heutzutage vor allem flexible Arbeitsbedingungen, allen voran selbstbestimmte Arbeitszeit. Das Geld muss stimmen – doch die Arbeitszeit genauso. Kommt Arbeitgebern also die jüngst in Kraft getretene Brückenteilzeit hier sogar zur Hilfe?



Inhalt:
Selbstbestimmte Arbeitszeit durch Gesetz
Anspruch auf Brückenteilzeit
Wer darf was wie?
In welchen Unternehmen?
Wie lange und wie viel?
Möglichkeiten des Arbeitgebers
Fiktion durch Nichtreaktion
Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Fazit


Selbstbestimmte Arbeitszeit durch Gesetz

Seit dem 1. Januar 2019 haben Mitarbeiter nun einen eigenen gesetzlichen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum zwischen 1 – 5 Jahre zu verkürzen. Das ist so mit dem neuen § 9a TzBfG festgelegt. Nach Ablauf der Befristung kehren die Betroffenen automatisch – also kraft Gesetzes und ohne Mitwirkung der Arbeitsvertragsparteien - wieder in ihr Vollzeitarbeitsverhältnis zurück. Die dahinter liegende Absicht ist, eine „Teilzeitfalle“ für Mitarbeiter zu vermeiden. Eine Beanspruchung der Brückenteilzeit ist möglich, ohne dass besondere Gründe wie z.B. Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen von den Beschäftigten geltend gemacht werden müssten. Es braucht also keinen besonderen Grund. Und: das Gesetz unterscheidet nicht zwischen „Wissensarbeiter“, Produktionsmitarbeiter oder Schichtarbeiter. Alle Mitarbeiter erhalten dadurch die Möglichkeit, entsprechend ihren persönlichen Situationen, Lebensphasen und auch Wünschen ihre individuelle Arbeitszeit dann – unter bestimmten Voraussetzungen -  beim Arbeitgeber einzufordern. Damit kann der Mitarbeiter seine Wunscharbeitszeiten mit gesetzlicher Unterstützung selber bestimmen.

Was sind nun die Voraussetzungen, für einen Anspruch auf Brückenteilzeit?

Anspruchsvoraussetzung Brückenteilzeit
1. Wer darf was wann wie?
Berechtigt sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Das Antragsverfahren auf Brückenteilzeit entspricht dem gleichen, welches sich auf eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit bezieht, § 9a Abs. 3 TzBfG. Ein entsprechendes Gesuch ist daher drei Monate vor Beginn der Teilzeit geltend zu machen. 

2. In welchen Unternehmen?
Der Anspruch auf Brückenteilzeit gilt nur für Unternehmen, die in der Regel über mehr als 45 Beschäftigte verfügen. Bei der Berechnung dieses Schwellenwertes sind nur Auszubildende ausgenommen. Ansonsten zählen alle eigenen Mitarbeiter nach Köpfen (und nicht nach Stellenkapazität), so dass auch sämtliche bisherigen Teilzeitbeschäftigten eingerechnet werden.
Noch offen ist in diesem Zusammenhang wie Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden. In den entsprechenden Gesetzen (TzBfG oder AÜG) ist hier nichts dazu geregelt. Ob das Bundesarbeitsgereicht das ähnlich sieht wie die Mitberechnung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung des Schwellenwertes bei der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 KSchG), bleibt bis zu einer (noch dauernden) höchstrichterlichen Klärung bleibt abzuwarten. Wollen Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen und werden Leiharbeitnehmer für einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf eingesetzt, empfiehlt es sich, diese mitzuzählen.

3. Wie lange und wie viel?
Der befristete Zeitraum für eine Teilzeit muss mindestens 1 Jahr und darf maximal 5 Jahre umfassen. Nicht gesetzlich geregelt ist das Volumen der Arbeitszeitreduzierung. Hier sieht das Gesetz weder Mindest- noch Höchstmaße vor. Damit kann sich die Konstellation ergeben, dass der Mitarbeiter seine Arbeitszeit auf ein absolutes Minimum reduzieren möchte. Auch hier gibt es noch keinerlei Rechtsprechung zu dieser Frage. Sollte sich eine derartige Situation stellen, wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein angemessener Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben berücksichtigt wurde und damit ein Fall des Rechtsmissbrauches ausgeschlossen werden kann, der dann zur Ablehnung des Antrags führen kann.

Während einer befristeten Teilzeit ist keine erneute Antragstellung oder Veränderung – zumindest nach dem Gesetz – möglich. Hier bleibt dann nur eine freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber oder die Geltendmachung anderer gesetzlicher Teilzeitansprüche wie z.B. Teilzeit in Elternzeit oder Pflegezeit.
Nach Abschluss der befristeten Teilzeit muss zudem ein Jahr „gewartet“ werden, bis der Mitarbeiter einen erneuten befristeten Teilzeitwunsch geltend machen kann, § 9a Abs. 5 TzBfG. Das bedeutet nicht, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einvernehmlich auf eine weitere schon früher beginnende Teilzeit einigen können.
Unterschiedliche „Sperrzeiten“ bestehen, wenn ein Antrag des Mitarbeiters auf Brückenteilzeit abgelehnt wurde. Bezog sich der Grund der Ablehnung auf entgegenstehende betriebliche Gründe, aktiviert sich eine zweijährige Sperrfrist, § 9a Abs. 5 iVm § 8 Abs. 6 TzBfG. Bezieht sich der Arbeitgeber dagegen in seiner Ablehnung auf den Überforderungsschutz nach § 9 Abs. 2 TzBfG, kann der Mitarbeiter bereits nach einem Jahr einen erneuten Antrag stellen. 


Grafik: B. Redmann


Möglichkeiten des Arbeitgebers
1. Fiktion bei Nicht-Reaktion
Wichtig zu wissen für Arbeitgeber ist, dass wenn sie auf einen Teilzeitwunsch eines Mitarbeiters nicht spätestens einen Monat vor Beginn des gewünschten Teilzeitantrages reagiert haben bzw. den Antrag abgelehnt haben, ihre Zustimmung kraft Gesetz fingiert wird. Dies verhält sich genauso wie bisher bei der „unbefristeten“ Teilzeit, die in § 8 TzBfG geregelt ist.

Je nachdem was der Arbeitgeber im Antrag des Mitarbeiters ablehnt, kann es hier auch zu unterschiedlichen Auswirkungen kommen:

Ablehnung Arbeitgeber:
Auswirkung:
Nur der Verteilung/ Lage der Arbeitszeit
+   Die Verringerung gilt im vollem  
     Umfang
Dem Zeitraum bzw. der Befristung als solcher
-     Da der Befristungszeitraum ein wesentliches Element ist, gilt der Antrag dann insgesamt als abgelehnt.
Verringerung der Arbeitszeit
-     Antrag ist insgesamt abgelehnt.

2. Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Arbeitgeber können einen Anspruch auf Brückenteilzeit aus betrieblichen Gründen ablehnen. Dabei gelten ebenfalls die Maßstäbe des § 8 Abs. 4 TzBfG.
Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Das Gesetz sieht hier keine „dringenden betrieblichen Gründe“ vor, allerdings verlangt das BAG schon zur bisherigen Rechtslage, dass die Gründe erheblich sein müssen:
„Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen” Arbeitszeitverteilung begründen (ständige Rechtsprechung …)“
In diesem Zusammenhang kann der Arbeitgeber auch vortragen, dass betriebliche Gründe gerade wegen der Befristung des Anspruches gegeben sind. Dies kann z.B. deswegen vorliegen, weil eine ggf. nur temporäre Überbrückung des gewünschten Arbeitsvolumens nicht umsetzbar ist oder eben übermäßig hohe Kosten verursacht.
Die betrieblichen Auswirkungen sind betriebsbezogen zu betrachten. Verfügt ein Unternehmen über mehrere Betriebe und sind in einzelnen Betrieben besonders viele Mitarbeiter in Teilzeit, kann dies eine Begründung für eine Ablehnung des Antrags sein. Ob die Anzahl der vorhandenen Teilzeitkräfte letztendlich alleine ausreicht, um eine Ablehnung ausschließlich begründen zu können wenn es insbesondere eine unternehmerische Entscheidung war, hauptsächlich mit Teilzeitkräften zu arbeiten, erscheint allerdings fraglich. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend in den nächsten Jahren entwickeln wird. 

3. Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Arbeitgeber können als weiteren Ablehnungsgrund auch eine Art „Zumutbarkeitsgrenze“ geltend machen. Das Gesetz sieht hier für Arbeitgeber vor, dass bei einer Beschäftigung zwischen 46 bis 200 Mitarbeitern der Anspruch nur einem pro angefangene 15 Arbeitnehmer gewährt werden muss.
Soweit mehrere Anträge von Mitarbeitern zusammentreffen, gibt es keine Auswahlkriterien die das Gesetz hier vorsieht. Der Arbeitgeber hat seine Entscheidung, welchen Anträgen er bei Vorliegen der Voraussetzungen stattgibt, nach billigem Ermessen zu treffen. Hierbei ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbezug aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, die außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.“ Das heißt, es kommt immer auf die Verhältnisse des Einzelfalles an, ob eine solche Auswahl rechtmäßig ist oder nicht.

Darüber hinaus können Ablehnungsgründe auch durch einen Tarifvertrag festgelegt werden, § 8 Abs. 4 TzBfG. 

Fazit: 
Unterschiedliche Arbeitszeitmodelle und damit auch Teilzeit wird zunehmend stärker in den Unternehmen angeboten werden müssen, um einerseits den Anforderungen einer veränderten Gesellschaft und Arbeitswelt gerecht zu werden und andererseits auch als Arbeitgeber (weiter) attraktiv zu sein. Darüber hinaus können Teilzeitmodelle sofern damit beide Bedürfnisseiten – Mitarbeiter wie auch diejenigen des Unternehmens – erfüllt werden, sich sehr positiv auf die Arbeitsbeziehung und damit auch auf Motivation und Leistungsfähigkeit auswirken.
Der nunmehr gesetzliche Anspruch kann Mitarbeitern helfen, ihre individuellen Wünsche ggf. einfacher gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen zu können. Unternehmen geraten nun hier unter Umständen unter einen stärkeren Druck, Teilzeitbegehren zu erfüllen. Auf der anderen Seite werden Unternehmen, die ihre Arbeitszeiten flexibel auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern abstimmen und hier Wünsche bereitwillig umsetzen als ein attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Warum also nicht die Brückenteilzeit als Chance begreifen, sich mit neuen Teilzeitmöglichkeiten und Arbeitszeitmodellen positiv auseinander zu setzen? Wenn es einem Unternehmen gelingt, eine flexible Gestaltung von Zeit so in die eigene Organisation einzubinden, dass es das Unternehmen sogar stärker und produktiver macht – dann ist damit etwas gelungen, dass sowohl den berechtigten Bedürfnissen von Mitarbeitern als auch den berechtigten Bedürfnissen des Unternehmens dient: Dann ist Arbeitszeit ein Aspekt der Haltung und Kultur, der Erfüllung eines Anspruchs, der Arbeitgeberattraktivität und einer höheren Produktivität.  

Quellen:
1) Merkel/Steinat, Brückenteilzeit und weitere Änderungen im Teilzeitrecht, Der Betrieb, 2018, 3118
2)  BAG 24. 6. 2008 - 9 AZR 313/07
3) BeckOK ArbR/Bayreuther, 50. Ed. 1.1.2019, TzBfG § 9a

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