Foto: B. Redmann |
Inhalt
- Engagement als tragende Säule unserer Gesellschaft
- Leistung statt Arbeit
- Freiwillig = Leistung ohne Lohn?
- Ehrenamt als produktiver Wirtschaftsfaktor
- Was nix kostet muss doppelt gut sein
- Fazit
Engagement als tragende Säule unserer Gesellschaft
Ich glaube, viele
Menschen sehnen sich nach einer „sinnvollen“ Tätigkeit, wissen aber manchmal
gar nicht, wie und wo sie gebraucht werden. Im bezahlten Berufsleben bleibt oft
– aus den unterschiedlichsten Gründen – manche Sinnerfüllung auf der Strecke. In
vielen Bereichen unterstützen freiwillig Engagierte unsere Gesellschaft in
wesentlichen Funktionen des sozialen Lebens: sei es im Sport, in dem fast der
komplette Amateurbereich ehrenamtlich „trainiert“ wird, sei es im Rettungswesen
und Katastrophenschutz, in der Kultur, der Gesundheit oder auch der Politik, um
nur einige zu nennen. Ohne all diese engagierten Helfer wäre ein breites
Angebot an Diensten und Leistungen gar nicht realisierbar. Freiwilliges,
ehrenamtliches Engagement stellt eine tragende Säule für die Versorgung, die
Lebensqualität und die Bildung in unserer Gesellschaft dar. Und in dieser
zentralen Funktion sorgt freiwilliges Engagement auch für Nachhaltigkeit.
Leistung statt Arbeit
Freiwilliges Engagement ist – abgesehen von den gesetzlichen Aufwandsentschädigungen – unentgeltlich. Aus diesem Grund gibt es bislang kaum betriebswirtschaftliche Betrachtungen, da die „normalen“ Berechnungsfaktoren wie Umsatz oder Lohnkosten hier nicht vorliegen. Wenn wir jedoch von einer tragenden gesellschaftlichen Funktion ausgehen, ist es wichtig, diese auch einmal unter dem Blickwinkel der Produktivität zu betrachten.
Wenn wir von Leistung sprechen, gehen wir normalerweise davon aus, dass diese in einem geldwerten Gegenleistungsverhältnis steht. Eine Leistung wird erbracht und „bezahlt“. So kennen wir es aus unseren Arbeitsverhältnissen: wir leisten und bekommen im Gegenzug Gehalt dafür. Die Rollen sind dabei eindeutig verteilt: Leistender ist stets der Mitarbeiter, der Bezahlende ist immer der Arbeitgeber. Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass in der Regel auch keine Leistung erbracht wird, wenn keine Bezahlung erfolgt. In den meisten Arbeitsverhältnissen ist dies mit Sicherheit der Fall. Gerade deswegen wird in vielen Unternehmen – immer noch – versucht, durch besondere Formen von zusätzlichen Entlohnungen (Zielvereinbarungen, Gratifikationen, Tantiemen, etc…) die Arbeitsleistung der Beschäftigten „anzureizen“ und zu steigern. Geld und Bezahlung gelten in der Wirtschaft oft als Garant für zu erbringende (höhere) Leistung.
Freiwillig = Leistung ohne Lohn?Dieser Grundsatz „Leistung gegen Entgelt“ ist jedoch nicht absolut anwendbar. Sonst ließe sich das hohe ehrenamtliche Engagement – es engagieren sich 43% der Deutschen im Alter ab 14 Jahren freiwillig für die Gesellschaft, was 30,9 Millionen Menschen entspricht – nicht erklären. Leistung findet hier gerade ohne Geld statt. Und das sogar bei fast jedem Zweiten in der deutschen Bevölkerung! Sämtliches ehrenamtliches Engagement erfolgt in erster Linie aus einer geldunabhängigen Motivation heraus: es geht allein darum, persönliche Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn man so will: es gibt kein Geld und trotzdem eine „Entlohnung“ durch die eigene Erfüllung. Dieses „Austauschverhältnis“ spiegelt sich bisher in vielen Erhebungen hierzu wieder und bestätigt sich auch in meinen persönlichen Interviewerfahrungen. Ebenfalls zeigt sich, dass dabei Motivationen absolut vielfältig und ganz individuell sind, - aber das ist ein noch mal ein anderes Blogthema 😉
Ehrenamt als produktiver Leistungsfaktor!
Wir waren ja bei Leistung und einer mal „produktiven“ Betrachtung von ehrenamtlichem Engagement. In einer Zeit, in der der Staat zunehmend mit der Aufrechterhaltung von bestehenden gesellschaftlichen und sozialen Versorgungssystemen und –leistungen (finanziell) überfordert ist, vielleicht noch einmal eine ganz interessante Perspektive?!
In dem aktuellen Freiwilligensurvey ist untersucht worden, dass ca. 60 % der Engagierten bis zu zwei Wochen pro Woche freiwillig Dienst leisten. Die anderen 40 % leisten im Durchschnitt zwischen drei und sechs Stunden wöchentlich. Legt man hier einen Schnitt von ca. 3,5 Stunden pro Woche zugrunde, ergäbe sich bei den ca. 30,9 Millionen engagierten Menschen in Deutschland eine monatliche Leistung von ca. 14 Stunden. Dies entspräche einem jährlichen Stundenvolumen von ca. 5,2 Millionen Stunden. Würde man beispielsweise dieses unentgeltliche Volumen nur einmal vergleichsweise mit dem gesetzlichen Mindestlohn – aktuell bei 8,84 Euro – multiplizieren, kommt das freiwillige Engagement einer (Arbeits-)leistung im Wert von ca. 46 Mrd. Euro gleich. Nicht schlecht, oder? Damit zeigt sich, dass freiwilliges Engagement nicht nur eine "tragende" Säule unserer Gesellschaft darstellt, sondern die daraus entstehende Leistung auch einen erheblichen Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung hat.
Was nix kostest muss doppelt gut sein
Den Spruch gibt es sicherlich nicht nur in Köln:"Was nichts kostet - das ist nichts". Für freiwillige Aktivitäten funktioniert das so nicht. Oder anders ausgedrückt: Auch wenn sich hier Menschen ohne geldliche Gegenleistung engagieren, hat dies überhaupt nicht zur Folge, dass Empfänger von ehrenamtlichem Engagement an diese Leistung keine Erwartungen stellen. Ganz im Gegenteil!
Jeder der bereits mit einem ehrenamtlichen Engagement in Kontakt gekommen ist - sei es weil er es selber ausgeübt hat, oder als "Empfänger" - wird wissen, dass an die Ausübung von freiwilligen Tätigkeiten enorm hohe Ansprüche gestellt werden. Denn es handelt sich hier nicht nur um "Hilfsarbeiten" sondern meist um verantwortungsvolle Aufgaben, die genauso effizientes Management und vor allem ein professionelles Miteinander erfordern. Hier muss genauso oder vielleicht sogar noch mehr als bei bezahlter Arbeit sorgfältig, kompetent und sicher gehandelt werden. Sonst verpuffen nicht nur wertvolle Energien sondern es können beträchtliche materielle und vor allem ideelle Schäden entstehen. Ist der Ruf einer (ehrenamtlichen) Organisation oder Vereinigung ruiniert, mag keiner mehr mitmachen oder diese unterstützen und es braucht Jahre, bis sich hier wieder Vertrauen aufgebaut hat...
In jedem Bereich, in dem sich Menschen ehrenamtlich engagieren sind daher ganz unabhängig von ihrer Aufgabe, die Anforderungen an alle Beteiligte gleich:
Quelle Anforderung an EA: B. Redmann |
Egal, ob sich jemand
als Vorsitzender einer Elterninitiative hat aufstellen lassen, sich für einen
Begleit- oder Besuchsdienst von kranken oder älteren Menschen gemeldet hat oder
in der freiwilligen Feuerwehr aktiv ist: Für alle gilt: dass sich diejenigen,
denen ihr Tun zugutekommt, auf sie verlassen können, dass jeder von ihnen seine
Aufgabe ernst nimmt und dabei sein Bestes gibt. Gerade weil sich Menschen
freiwillige zur Übernahme einer Aufgabe bereit erklärt haben, sind die
qualitativen Erwartungen an die Erledigung einer solchen Aufgabe oftmals viel
höher als im Berufsleben, in dem unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten der
Maßstab der „mittleren Art und Güte“ – also einer durchschnittlichen
Leistungserfüllung – angelegt wird.
Fazit:
Ehrenamtliches Engagement schafft Produktivität mit Leidenschaft und Liebe. Erfolgreiches Engagement klappt durch eine verlässliche mindestens gute Leistung von Engagierten - und diese erfolgt ohne Geld. Der Qualitätsanspruch an eine ehrenamtliche Leistung ist aber mindestens so hoch, wie für eine bezahlte Verrichtung, - wahrscheinlich sogar höher. Also: hohe qualitative Produktivität mit Spaß an der Sache... Ein Zustand, von dem Unternehmen in der Wirtschaft meist nur träumen....
Quellen:
1)Redmann, B., Erfolgreich führen im Ehrenamt, Springer, 3. Auflage 2017
2) Freiwilligensurvey 2014
3) Engagementatlas 09
1)Redmann, B., Erfolgreich führen im Ehrenamt, Springer, 3. Auflage 2017
2) Freiwilligensurvey 2014
3) Engagementatlas 09
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