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Unsplash - Christian Holzinger |
„Teilzeitest Du schon oder arbeitest Du noch?“
– frei nach dem Slogan eines schwedischen Möbelhauses könnten auch Arbeitgeber
hier mit attraktiven
Arbeitszeitbedingungen Mitarbeiter „anwerben“. So ist Arbeitszeit zunehmend ein
wichtiger Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, wenn es um die Gewinnung von neuen
Mitarbeitern geht. Und nicht nur das: jeder Arbeitgeber möchte natürlich nicht
nur neue sondern vor allem auch die besten Mitarbeiter bekommen und natürlich auch
die besten Mitarbeiter die bei ihm schon beschäftigt sind zuverlässig an sich
binden. Um hier als attraktiver Arbeitgeber mitspielen zu können, heißt das,
sich auf die Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeitern einzulassen. Und die
besten Mitarbeiter wollen heutzutage vor allem flexible Arbeitsbedingungen,
allen voran selbstbestimmte Arbeitszeit. Das Geld muss stimmen – doch die
Arbeitszeit genauso. Kommt Arbeitgebern also die jüngst in Kraft getretene
Brückenteilzeit hier sogar zur Hilfe?
Inhalt:
Selbstbestimmte
Arbeitszeit durch Gesetz
Anspruch auf
Brückenteilzeit
Wer darf was wie?
In welchen Unternehmen?
Wie lange und wie viel?
In welchen Unternehmen?
Wie lange und wie viel?
Möglichkeiten des Arbeitgebers
Fiktion durch Nichtreaktion
Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Fazit
Selbstbestimmte Arbeitszeit durch Gesetz
Seit dem 1. Januar 2019 haben Mitarbeiter nun einen
eigenen gesetzlichen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit für einen begrenzten
Zeitraum zwischen 1 – 5 Jahre zu verkürzen. Das ist so mit dem neuen § 9a TzBfG
festgelegt. Nach Ablauf der Befristung kehren die Betroffenen automatisch –
also kraft Gesetzes und ohne Mitwirkung der Arbeitsvertragsparteien - wieder in
ihr Vollzeitarbeitsverhältnis zurück. Die dahinter liegende Absicht ist, eine „Teilzeitfalle“ für Mitarbeiter zu
vermeiden. Eine Beanspruchung der
Brückenteilzeit ist möglich, ohne dass besondere Gründe wie z.B. Kindererziehung
oder Pflege von Angehörigen von den Beschäftigten geltend gemacht werden
müssten. Es braucht also keinen besonderen Grund. Und: das Gesetz unterscheidet
nicht zwischen „Wissensarbeiter“, Produktionsmitarbeiter oder Schichtarbeiter.
Alle Mitarbeiter erhalten dadurch die Möglichkeit, entsprechend ihren
persönlichen Situationen, Lebensphasen und auch Wünschen ihre individuelle Arbeitszeit
dann – unter bestimmten Voraussetzungen - beim Arbeitgeber einzufordern. Damit kann der
Mitarbeiter seine Wunscharbeitszeiten mit gesetzlicher Unterstützung selber
bestimmen.
Was sind nun die Voraussetzungen, für einen
Anspruch auf Brückenteilzeit?
Anspruchsvoraussetzung Brückenteilzeit
1. Wer darf was wann wie?
Berechtigt sind
Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Das
Antragsverfahren auf Brückenteilzeit entspricht dem gleichen, welches sich auf
eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit bezieht, § 9a Abs. 3 TzBfG. Ein
entsprechendes Gesuch ist daher drei Monate vor Beginn der Teilzeit geltend zu machen.
2. In welchen Unternehmen?
Der Anspruch auf Brückenteilzeit gilt nur für
Unternehmen, die in der Regel über mehr als 45 Beschäftigte verfügen. Bei der Berechnung dieses Schwellenwertes sind nur
Auszubildende ausgenommen. Ansonsten zählen alle eigenen Mitarbeiter nach
Köpfen (und nicht nach Stellenkapazität), so dass auch sämtliche bisherigen
Teilzeitbeschäftigten eingerechnet werden.
Noch offen ist in diesem Zusammenhang wie Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden. In den entsprechenden Gesetzen (TzBfG oder AÜG) ist hier nichts dazu geregelt. Ob das Bundesarbeitsgereicht das ähnlich sieht wie die Mitberechnung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung des Schwellenwertes bei der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 KSchG), bleibt bis zu einer (noch dauernden) höchstrichterlichen Klärung bleibt abzuwarten. Wollen Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen und werden Leiharbeitnehmer für einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf eingesetzt, empfiehlt es sich, diese mitzuzählen.
Noch offen ist in diesem Zusammenhang wie Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden. In den entsprechenden Gesetzen (TzBfG oder AÜG) ist hier nichts dazu geregelt. Ob das Bundesarbeitsgereicht das ähnlich sieht wie die Mitberechnung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung des Schwellenwertes bei der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 KSchG), bleibt bis zu einer (noch dauernden) höchstrichterlichen Klärung bleibt abzuwarten. Wollen Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen und werden Leiharbeitnehmer für einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf eingesetzt, empfiehlt es sich, diese mitzuzählen.
3. Wie lange und wie viel?
Der befristete Zeitraum für eine Teilzeit muss
mindestens 1 Jahr und darf maximal 5 Jahre umfassen. Nicht gesetzlich geregelt
ist das Volumen der Arbeitszeitreduzierung. Hier sieht das Gesetz weder
Mindest- noch Höchstmaße vor. Damit kann sich die Konstellation ergeben, dass
der Mitarbeiter seine Arbeitszeit auf ein absolutes Minimum reduzieren möchte.
Auch hier gibt es noch keinerlei Rechtsprechung zu dieser Frage. Sollte sich
eine derartige Situation stellen, wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein
angemessener Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben berücksichtigt wurde
und damit ein Fall des Rechtsmissbrauches ausgeschlossen werden kann, der dann
zur Ablehnung des Antrags führen kann.
Während einer befristeten Teilzeit ist keine
erneute Antragstellung oder Veränderung – zumindest nach dem Gesetz – möglich.
Hier bleibt dann nur eine freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber oder die
Geltendmachung anderer gesetzlicher Teilzeitansprüche wie z.B. Teilzeit in
Elternzeit oder Pflegezeit.
Nach Abschluss der befristeten Teilzeit muss
zudem ein Jahr „gewartet“ werden, bis der Mitarbeiter einen erneuten
befristeten Teilzeitwunsch geltend machen kann, § 9a Abs. 5 TzBfG. Das bedeutet
nicht, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einvernehmlich auf eine
weitere schon früher beginnende Teilzeit einigen können.
Unterschiedliche „Sperrzeiten“ bestehen, wenn
ein Antrag des Mitarbeiters auf Brückenteilzeit abgelehnt wurde. Bezog sich der
Grund der Ablehnung auf entgegenstehende betriebliche Gründe, aktiviert sich
eine zweijährige Sperrfrist, § 9a Abs. 5 iVm § 8 Abs. 6 TzBfG. Bezieht sich der
Arbeitgeber dagegen in seiner Ablehnung auf den Überforderungsschutz nach §
9 Abs. 2 TzBfG, kann der Mitarbeiter bereits nach einem Jahr einen erneuten
Antrag stellen.
Grafik: B. Redmann |
Möglichkeiten des Arbeitgebers
1. Fiktion bei Nicht-Reaktion
Wichtig zu wissen für
Arbeitgeber ist, dass wenn sie auf einen Teilzeitwunsch eines Mitarbeiters
nicht spätestens einen Monat vor Beginn des gewünschten Teilzeitantrages
reagiert haben bzw. den Antrag abgelehnt haben, ihre Zustimmung kraft Gesetz
fingiert wird. Dies verhält sich genauso wie bisher bei der „unbefristeten“
Teilzeit, die in § 8 TzBfG geregelt ist.
Je nachdem was der Arbeitgeber im Antrag des
Mitarbeiters ablehnt, kann es hier auch zu unterschiedlichen Auswirkungen
kommen:
Ablehnung Arbeitgeber:
|
Auswirkung:
|
Nur der Verteilung/ Lage der Arbeitszeit
|
+ Die Verringerung gilt im
vollem
Umfang |
Dem Zeitraum bzw. der Befristung als solcher
|
- Da der Befristungszeitraum ein wesentliches Element ist, gilt der
Antrag dann insgesamt als abgelehnt.
|
Verringerung
der Arbeitszeit
|
-
Antrag
ist insgesamt abgelehnt.
|
2. Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Arbeitgeber können einen Anspruch auf
Brückenteilzeit aus betrieblichen Gründen ablehnen. Dabei gelten ebenfalls die
Maßstäbe des § 8 Abs. 4 TzBfG.
Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Das Gesetz sieht hier keine „dringenden betrieblichen Gründe“ vor, allerdings verlangt das BAG schon zur bisherigen Rechtslage, dass die Gründe erheblich sein müssen: „Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen” Arbeitszeitverteilung begründen (ständige Rechtsprechung …)“
Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Das Gesetz sieht hier keine „dringenden betrieblichen Gründe“ vor, allerdings verlangt das BAG schon zur bisherigen Rechtslage, dass die Gründe erheblich sein müssen: „Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen” Arbeitszeitverteilung begründen (ständige Rechtsprechung …)“
In diesem Zusammenhang kann der Arbeitgeber auch
vortragen, dass betriebliche Gründe gerade wegen der Befristung des Anspruches
gegeben sind. Dies kann z.B. deswegen
vorliegen, weil eine ggf. nur temporäre Überbrückung des gewünschten
Arbeitsvolumens nicht umsetzbar ist oder eben übermäßig hohe Kosten verursacht.
Die betrieblichen Auswirkungen sind
betriebsbezogen zu betrachten. Verfügt ein Unternehmen über mehrere Betriebe
und sind in einzelnen Betrieben besonders viele Mitarbeiter in Teilzeit, kann
dies eine Begründung für eine Ablehnung des Antrags sein. Ob
die Anzahl der vorhandenen Teilzeitkräfte letztendlich alleine ausreicht, um
eine Ablehnung ausschließlich begründen zu können wenn es insbesondere eine
unternehmerische Entscheidung war, hauptsächlich mit Teilzeitkräften zu
arbeiten, erscheint allerdings fraglich. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die
höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend in den nächsten Jahren entwickeln
wird.
3. Berücksichtigung der Zumutbarkeitsregel
Arbeitgeber können als weiteren Ablehnungsgrund
auch eine Art „Zumutbarkeitsgrenze“ geltend machen. Das Gesetz sieht hier für
Arbeitgeber vor, dass bei einer Beschäftigung zwischen 46 bis 200 Mitarbeitern
der Anspruch nur einem pro angefangene 15 Arbeitnehmer gewährt werden muss.
Soweit mehrere Anträge von Mitarbeitern
zusammentreffen, gibt es keine Auswahlkriterien die das Gesetz hier vorsieht.
Der Arbeitgeber hat seine Entscheidung, welchen Anträgen er bei Vorliegen der
Voraussetzungen stattgibt, nach billigem Ermessen zu treffen. Hierbei ist eine
Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbezug aller Umstände des
Einzelfalles vorzunehmen. Hierzu
gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den
Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, die außervertragliche Vor-
und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale
Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.“ Das
heißt, es kommt immer auf die Verhältnisse des Einzelfalles an, ob eine solche
Auswahl rechtmäßig ist oder nicht.
Darüber hinaus können Ablehnungsgründe auch
durch einen Tarifvertrag festgelegt werden, § 8 Abs. 4 TzBfG.
Fazit:
Unterschiedliche
Arbeitszeitmodelle und damit auch Teilzeit wird zunehmend stärker in den
Unternehmen angeboten werden müssen, um einerseits den Anforderungen einer
veränderten Gesellschaft und Arbeitswelt gerecht zu werden und andererseits
auch als Arbeitgeber (weiter) attraktiv zu sein. Darüber hinaus können Teilzeitmodelle
sofern damit beide Bedürfnisseiten – Mitarbeiter wie auch diejenigen des
Unternehmens – erfüllt werden, sich sehr positiv auf die Arbeitsbeziehung und damit
auch auf Motivation und Leistungsfähigkeit auswirken.
Der nunmehr gesetzliche
Anspruch kann Mitarbeitern helfen, ihre individuellen Wünsche ggf. einfacher
gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen zu können. Unternehmen geraten nun hier unter
Umständen unter einen stärkeren Druck, Teilzeitbegehren zu erfüllen. Auf der
anderen Seite werden Unternehmen, die ihre Arbeitszeiten flexibel auf die
Bedürfnisse von Mitarbeitern abstimmen und hier Wünsche bereitwillig umsetzen
als ein attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Warum also nicht die
Brückenteilzeit als Chance begreifen, sich mit neuen Teilzeitmöglichkeiten und
Arbeitszeitmodellen positiv auseinander zu setzen? Wenn es einem Unternehmen
gelingt, eine flexible Gestaltung von Zeit so in die eigene Organisation
einzubinden, dass es das Unternehmen sogar stärker und produktiver macht – dann
ist damit etwas gelungen, dass sowohl den berechtigten Bedürfnissen von
Mitarbeitern als auch den berechtigten Bedürfnissen des Unternehmens dient:
Dann ist Arbeitszeit ein Aspekt der Haltung und Kultur, der Erfüllung eines
Anspruchs, der Arbeitgeberattraktivität und einer höheren Produktivität.
Quellen:
1) Merkel/Steinat, Brückenteilzeit und weitere
Änderungen im Teilzeitrecht, Der Betrieb, 2018, 3118
2)
BAG 24. 6. 2008 - 9 AZR
313/07
3) BeckOK ArbR/Bayreuther, 50. Ed.
1.1.2019, TzBfG § 9a