Mittwoch, 12. Dezember 2018

Individuelle Zielvereinbarungen und agile Teams: Wie leistungsorientierte Vergütung regeln?

Foto: Unsplash
Als Arbeitsrechtler – sei’s als Anwalt oder als Unternehmensjurist – begegnet man zunehmend den Wünschen und geradezu auch Sehnsüchten von Unternehmensleitungen, Betriebsräten und auch Mitarbeitern agile Arbeitsformen umzusetzen. Alles soll einfacher und leichter werden, alle haben eine große Sehnsucht nach „keep it simple“. Die Unternehmensleitungen sehnen sich nach einfachen Prozessen die einen höheren Ertrag des Unternehmens zur Folge haben. Die Mitarbeiter und auch die HR Abteilungen sehnen sich nach einer hohen Arbeitssouveränität der Mitarbeiter, mit dem Ziel, eigenständig entscheiden zu können, welche Tätigkeiten zu welchem Zeitpunkt auf welche Art und Weise der Mitarbeiter macht. Am liebsten wird in Gruppen gearbeitet, damit die Kreativität jedes einzelnen im Arbeitsprozess seinen Widerhall finden kann. Natürlich müssen dann auch Gruppen- Boni gezahlt werden, damit alle am Erfolg des ganzen Unternehmens oder der Abteilung partizipieren können und nicht lediglich an ihren individuellen Leistungen gemessen werden.


Inhalte:
Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur Kreativität!
Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarungen & Performance Management?
Agile Ziele brauchen Agile Instrumente
Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden


Arbeitsrecht und Agilität? Eine Chance zur Kreativität!
In solchen Situationen fragt man sich als Arbeitsrechtler natürlich spontan, wie soll man so etwas regeln, da das deutsche Arbeitsrecht nun keine speziellen Regelungen für agile Arbeitsformen zu kennen scheint.
Unternehmensleitungen, Betriebsräte und Mitarbeiter wünschen sich nun von Juristen einfache Systeme, wie z.B. Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen, die max. eine Seite umfassen und in „Du“-Form geschrieben sind.
Der Arbeitsrechtler denkt aus seiner Natur – und auch seinem Job - heraus weit in die Zukunft, und stellt sich die Frage, ob seine Vorschläge denn im Falle eines Konfliktes auch bei einem Gericht Wohlgefallen finden werden und „haltbar“ sind. Möglicherweise wird dann die Suche nach Mustern, Urteilen und Literatur beginnen, um die aus Sicht des Arbeitsrechtlers bestehende Risikolage zu reduzieren.

Im Rahmen einer solchen Recherche wird man dann feststellen, dass es überaus wenig Urteile, Muster oder auch Literatur mit einem konkreten Bezug zu dem Themenfeld „Agilität“ gibt. Das Gute an diesem  weiten Themenfeld ist nun für Juristen, dass hier die seltene Gelegenheit besteht, eigene Kreativität zur freien Entfaltung bringen zu können.

Eine der typischen Fragestellungen ist z.B. wie es sich bei agilen Teams mit Zielvereinbarungen verhält:
  •  Sind in diesen Strukturen überhaupt noch individuelle Ziele sinnvoll oder machbar? 
  •  Sind ggf. Teamboni besser - auch wenn keiner weiß, wohin bei "agil" die Reise   
     hingeht?
  •  Gibt es ein Problem der Zielkonkurrenz von "agil" und variablen Bestandteilen?

Auf diese Punkte gehe ich im Folgenden etwas näher ein.

Was bedeutet Agilität bei Zielvereinbarung &  Performance Management?
Der herkömmliche Performance-Prozess umfasst in der Regel Jahresziele für Mitarbeiter, die am Jahresanfang vereinbart und zum Jahresende „controlt“ werden.   Dieser Prozess erfreut sich oft bei Mitarbeitern und Führungskräften einer ähnlichen Beliebtheit wie das jährliche Mitarbeitergespräch – in manchen Organisationen ist beides sogar miteinander kombiniert. Unternehmen, Mitarbeiter und Führungskräfte bringen meist viel Zeit und Aufwand trotz bestehender Unzufriedenheit ein.

Und wofür das alles? Für den „extra Bonus“, den der Mitarbeiter als Belohnung für seine individuelle Zielerreichung bekommt – auch wenn das Unternehmensergebnis leider in diesem Jahr nicht erreicht wurde.

Anders ist es beim agilen Arbeiten. Agiles Arbeiten ist Teamarbeit. Zudem fördern und entwickeln agile Arbeitsweisen folgende Charakteristika:
  • Schnelligkeit & Flexibilität
  • Ausbau einer positiven Fehlerkultur
  • Vernetzung über verschiedene Bereiche
  • Offenheit & Transparenz
  • Das Lernen im Team und im Unternehmen

Nicht allein das Ergebnis der Leistung des Individuums entscheidet über den Erfolg sondern auch das Zusammenspiel und das Erreichen der gemeinsamen Team- und Unternehmensziele. Es bedarf daher auch eines erweiterten Verständnisses von Leistung, bei dem der Ertrag eine genauso wichtige Rolle spielt wie die Fähigkeit eines Unternehmens, sich stetig weiter zu entwickeln.
Unternehmen, denen das wichtig ist, benötigen Mitarbeiter, die selbständig „unternehmerische“ Entscheidungen treffen. Für ihre „Unternehmensperformance“ ist es von Bedeutung, dass ihre Mitarbeiter die Fähigkeit haben, sich anzupassen und notwendige Veränderung in der Zusammenarbeit zu gestalten. Die Art und Weise der Kooperation, ein kontinuierliches aus „den eigenen Erfahrungen lernen“ und stetiges Feedback sind damit wesentliche agile Erfolgsfaktoren. Im agilen Kontext ist Leistung mehr als reine Ergebniserfüllung.

Agile Ziele brauchen Agile Instrumente 
Auch in agilen Unternehmen wird mit Zielvereinbarungen gearbeitet. In seiner Wirkung unterschiedet sich ein „agiler“ Performance Prozess darin, dass er neben der Zielerreichung zu „agiler Leistung“ beiträgt, sie entwickelt, stärkt und fördert. Daher sollten Performance Instrumente zur agilen Arbeitsweise passen und die gleichen Kriterien erfüllen. (s.o.)
Agile Unternehmen verwenden daher ein Performance Management, das als (Lern-) Ziel hat, den Umgang mit Veränderung zu leben, mit hoher Komplexität umzugehen und ein unternehmerisches Denken bei allen zu stärken. Das Miteinander, das „Wie etwas getan wird“, ist eine wichtige Kraft. Agilität gelingt nur in der Vernetzung mit anderen. Das gemeinsame Comittment zur Zusammenarbeit betrifft hier ebenso die Zielbestimmung. 

Tabelle: B. Redmann

Damit das gelingt, sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen notwendigen regelmäßigen, lernenden und vernetzten Austausch ermöglichen. Wenn Mitarbeitergespräche, Leistungsbeurteilungen und Zielvereinbarungen als „agile“ Instrumente eingesetzt werden, bedeutet dies, dass die Gespräche aus einem gegenseitigen Verständnis von Gleichwertigkeit heraus verabredet und geführt werden. Soweit Einzelleistung betrachtet wird, sollte sie ebenfalls im Zusammenhang mit der Wertschöpfung für das gesamte Unternehmen gesehen und bewertet werden. Gewonnene Erfahrungen sollten schnell und unmittelbar in den gemeinsamen Arbeitsprozess integriert werden, damit Gelerntes direkt verankert und umgesetzt wird.

Fazit: Gemeinsamer Erfolg soll vergütet werden
 Dieser gemeinschaftliche Ansatz – beginnend bei der Zielbestimmung bis hin zur Zielerreichung – wirkt sich konsequenterweise auf eine Erfolgsvergütung aus, soweit es eine Verknüpfung mit der Zielerreichung gibt. Auch dies ist eine Rahmenbedingung, die Zusammenwirken und damit Agilität fördern kann. Sofern sich ein Unternehmen entscheidet, Boni zu zahlen, erscheint es folgerichtig, diese nicht mehr als individuellen Gehaltsbestandteil des Einzelnen auszugestalten, sondern die gemeinsame Team- und auch die gemeinsame Unternehmensleistung mit einem gemeinsamen „Gruppenbonus“ zu entlohnen. Nicht das Zielergebnis des Einzelnen ist entscheidend, sondern das Erreichen der gemeinsamen Ziele. In einer vernetzten Arbeitsorganisation, in der Leistung und Kollaboration gefördert, incentiviert und unterstützt werden sollen, sind individuelle Boni nicht mehr zielführend. 

Was heißt das jetzt für eine arbeitsrechtliche Beurteilung?

Bei Zielvereinbarungen können Arbeitsrechtler auch im agilen Umfeld auf ein gewisses Maß an Urteilen und Literatur zurückgreifen und sich inspirieren lassen. Das BAG hat ausgeführt, dass „die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform mitbestimmungspflichtig sind“. Sollen im Rahmen eines „agilen Performance Managements“ Zielerreichungsprämien oder Teamboni gezahlt werden, so greift hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG (BAG, 22.06.2010, 1 AZR 853/08). Genauso verhält es sich mit tarifrechtlichen Normen (wie z.B. im Tarifvertrag der Metall- & Elektroindustrie), die als rechtliche, firmenspezifische Rahmenbedingungen zu beachten sind. Weitere Mitbestimmungsrechte können sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Datenverarbeitung bei der Erfassung und Beurteilung von Daten) sowie nach § 94 BetrVG (allgemeine Beurteilungsgrundsätze) ergeben. Mitbestimmungsfrei sind hingegen die Einführung und die Abschaffung des Zielvereinbarungssystems, ferner die Festlegung des begünstigten Personenkreises sowie der verfolgten Zwecke und Ziele.
Der Arbeitgeber kann eine leistungsbezogene Vergütung jedoch nicht an die Bedingung knüpfen, dass der Mitarbeiter zu einem Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung (BAG, 5.7.2011, 1 AZR 94/10; BAG, 12.4.2011, 1 AZR 412/09).

Dieser Beitrag ist auf dem Expertenforum Arbeitsrecht #EFAR erschienen: https://efarbeitsrecht.net/zielvereinbarungen-und-agile-teams/


Mittwoch, 21. November 2018

Tarif macht agil ?! Wie ein Tarifvertrag zu agiler Zusammenarbeit bewegt

Pietro Mattia Unsplash

Tarifverträge – sind das nicht diese traditionsreichen kollektiven Vertragskonstrukte, in denen alle Entgeltbestandteile bis aufs kleinste Detail eng geregelt sind? Struktur pur und eher langweilig als innovativ. Tarifverträge und auch betriebliche Mitbestimmung – ist das nicht ganz „alte Arbeitswelt“ und völlig überholt? Wer ausschließlich so denkt, verpasst gerade vielleicht die neueste Entwicklung in der Tariflandschaft und damit auch wertvolle Impulse.

Inhalt:
Tarif im Wandel: Zeit ist das neue Geld

Anspruch auf verkürzte Arbeitszeit
Selbstbestimmung für Mitarbeiter: Mehr Geld oder Zeit?
Bedarfsorientiertes Arbeitszeitvolumen für Unternehmen
Arbeiten von wo ich will
Quintessenz
Besser oder schlechter?
Durch kollektive Regelungen zu schnellen, legalen + gemeinsamen Lösungen
Spannende Erfahrungen


Tarif im Wandel: Zeit ist das neue Geld
Ja, richtig: Tarifverträge gehören in Deutschland zu den etablierten Vergütungssystemen nach denen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland bezahlt werden. Also schon mal eine ganze Menge, die davon betroffen sind.
Bis vor kurzem ging es in Verhandlungen zwischen den Tarifparteien im Wesentlichen immer nur um Fragen und Themenstellungen rund um Lohnerhöhungen. Herkömmliche tarifliche Vergütungssysteme bezogen sich daher in der Regel hauptsächlich auf den Faktor Geld. Dies ändert sich gerade. So hat sich in der Metall- und Elektroindustrie mit dem neuen Abschluss aus 2018 ein modernes Tarifsystem entwickelt, in dem ganz deutlich der Wandel von „Zeit als das neue Geld“ zu erkennen ist. Das Verhandlungsergebnis hat hier vor allem in puncto Regelungen zur Arbeitszeit Neuland geschaffen, die es ermöglichen, innerhalb eines rechtssicheren Handlungsrahmens einen agilen Spielraum für Unternehmen und Mitarbeiter zu gestalten. 

Der Wirkungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie ist bedeutsam: „In M+E-Verbänden sind insgesamt 6.300 Unternehmen mit mehr als 2 Millionen Beschäftigten organisiert. Davon sind 3.900 Unternehmen tarifgebunden (mit 1,8 Mio. Beschäftigten) und 2.400 sogenannten „OT-Mitgliedern“ (mit 330.000 Beschäftigten).“ Diese umfangreichen Regelungen sind bisher einmalig in der Tariflandschaft und vielleicht ist mit ihnen sogar ein richtungsweisender Weg für andere Branchen aufgezeigt worden.

Wie sehen diese Regelungen im Einzelnen aus? 

Anspruch auf verkürzte Arbeitszeit
Jeder Mitarbeiter in Vollzeit und mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 2 Jahren hat nun einen eigenen Anspruch darauf, seine Arbeitszeit bis auf 28 Stunden in der Woche (was in der M+E Industrie im Prinzip einem Tag entspricht bei einer „normalen“ 35 Stunden Woche) zu verkürzen – egal ob er im Büro tätig ist oder als Schichtarbeiter oder in der Produktion an der Maschine steht. Damit wird der Sehnsucht vieler Mitarbeiter Rechnung getragen, mehr „eigene“ Zeit zur Verfügung haben zu können, egal, welche Jobs sie ausüben. Der - wenn auch nicht ganz bedingungslose - tarifliche Anspruch besteht neben den gesetzlichen Ansprüchen auf Brückenteilzeit. 

Selbstbestimmung für Mitarbeiter: Mehr Geld oder Zeit?
Bestimmte Gruppen von Mitarbeitern (Schichtarbeiter, Eltern und Pflegende) dürfen nach dem Tarifvertrag T-ZUG zwischen der Auszahlung eines Zusatzgeldes oder der Gewährung von 8 freien Arbeitstagen wählen und damit bestimmen, was sie lieber wollen. Diese Entscheidungsfreiheit kann jedes Jahr aufs Neue ausgeübt werden.

Bedarfsorientiertes Arbeitszeitvolumen für Unternehmen
Demgegenüber stehen Betrieben vielfältige erweiterte Möglichkeiten zur Verfügung, Arbeitszeitvolumen ganz individuell auf ihr Unternehmen und ihren konkreten betrieblichen Bedarf bezogen generieren zu können. Firmen können dabei aus verschiedenen Modellen auswählen, wie sie ihr betriebliches Arbeitszeitvolumen verlängern und auch flexibilisieren können. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. Gleichzeitig können die Wünsche der Beschäftigten nach einer verkürzten Arbeitszeit sowie die betrieblichen Belange nach einem reibungslosen Ablauf, besser miteinander in Einklang gebracht werden. Wird also auf der einen Seite weniger gearbeitet, soll eine adäquate Kompensation auf der anderen Seite erfolgen können. Dazu wurden die bisherigen tariflichen Quotenregelungen erweitert als auch neue Modelle entwickelt.  


Grafik: Modelle Arbeitszeitvolumen B. Redmann

Arbeiten von wo ich will
Mobiles Arbeiten ist jetzt auch tarifvertraglich geregelt. Damit sich eine bessere Vereinbarkeit der Arbeitstätigkeit mit der persönlichen Lebensführung verwirklichen lässt, gibt es einen eigenen Tarifvertrag zum „mobilen Arbeiten“, den TV MobA. In diesem Teil des Tarifvertrages geht es um die Bestimmungen für ortsungebundenes Arbeiten und dem Loslösen vom Arbeitsort „Betriebsstätte“. Der Tarifvertrag versteht sich an dieser Stelle als „flankierende“ Regelung, die einen Rahmen für die konkreten betrieblichen Gegebenheiten schafft. Es werden also keine einzelnen Regelungen vorgegeben sondern ein sicherer rechtlicher Rahmen geschaffen, innerhalb dessen die Unternehmen dann ihre ganz eigenen betrieblichen Bedürfnisse gestalten können. 

Quintessenz
Das Besondere an diesem neuen Tarifvertragssystem sind die vielfältigen Möglichkeiten bezogen auf das Arbeitszeitvolumen sowohl für Mitarbeiter als auch für Unternehmen. Damit kommen sie in weiten Teilen dem großen Bedürfnis "Zeit" nach - das sowohl bei Mitarbeitern als auch Unternehmen besteht. Mit dem eigenen Anspruch auf verkürzte Arbeitszeit und auch mit dem Wahlrecht auf Zeit statt Geld wird insbesondere dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Entscheidungshoheit bei Mitarbeitern Rechnung getragen. Das unternehmerische Interesse nach mehr oder auch flexibel verfügbarer Arbeitskapazität wird ebenfalls durch die Wahlmöglichkeiten aus verschiedenen Modellen für den Arbeitgeber erfüllt. Gleichzeitig wird mit allen diesen neuen tariflichen Regelungen aus meiner Sicht dem „agilen“ Gedanken Rechnung getragen: Das, was am besten dem einzelnen Unternehmen in seiner Situation nutzt, kann gewählt werden und ist immer wieder anpassbar. Unternehmen werden damit in gewisser Weise zu „Agilität“ und einer agilen Zusammenarbeit angehalten. Das bedeutet allerdings auch, dass es keine „Blaupause“ für das eine, „richtige“ Arbeitszeitmodell gibt. Vielmehr liefert der Tarifvertrag einen Rahmen, der mit den betrieblichen konkreten Bedürfnissen zu füllen ist. Die eigene betriebliche Lösungsfindung soll zudem gemeinsam zwischen Unternehmen, Betriebsrat und Mitarbeiter entwickelt werden. Die tariflichen Regelungen fördern aus  meiner Sicht damit sogar noch das betriebliche Zusammenwirken aller Beteiligten und lassen hier Raum für kreative, unternehmensspezifische Gestaltung.

Besser oder schlechter?
Es gibt keine pauschale Antwort, was für Unternehmen besser ist. Der Charme dieser Regelungen liegt gerade in der möglichen jeweiligen Anpassungsfähigkeit der unterschiedlichen Regelungen auf die vorliegende betriebliche Situation. Je nach Unternehmen können ganz andere Handlungsbedarfe vorliegen. Die Wahl zwischen „alter“ und „neuer“ Welt bietet Unternehmen die Chance, sich mit den eigenen Gegebenheiten und den tariflichen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, um dann das am besten passende Modell zu wählen. Es geht insofern nicht um einen Vergleich darum, wer von den beiden Welten die bessere ist – sondern die Entscheidungsfreiheit für Betriebe, überhaupt zwischen den Welten wählen zu können, ist der eigentliche Gewinn.  

Durch kollektive Regelungen zu schnellen, legalen + gemeinsam Lösungen
Anders als bei jeweils neu zu „denkenden“ Vereinbarungen bieten kollektive – insbesondere – tarifliche Vereinbarungen eine rechtssichere und damit auch vertrauensvolle Grundlage, die ggf. auch eine optimierte Reaktionsgeschwindigkeit ermöglichen kann. Unternehmen werden hier jedoch nicht umhin kommen, herauszufinden, was ihnen am besten nützt. Gleichermaßen sind die meisten Lösungen auf betrieblicher Ebene nur in einer einvernehmlichen Abstimmung mit dem Betriebsrat möglich. Dies heißt, es bedarf neben einer guten Betriebspartnerschaft auch ein gleiches Denken.

Spannende Erfahrungen
Die meisten der tariflichen Neuregelungen gelten zwar erst ab 2019 und werden daher in den Folgejahren noch um konkrete betriebliche Erfahrungen ergänzt werden (können). Die Vorbereitung, die „neue“ tarifliche Arbeitszeit bzw. die Ansprüche hierauf entsprechend umzusetzen, obliegt den Firmen schon ab dem Abschluss des Tarifvertrages, so dass schon jetzt Erfahrungen gesammelt werden können. Es bleibt trotzdem spannend abzuwarten, ob und wie sich Unternehmen und deren Belegschaften, die an den Tarifvertrag gebunden sind, dieser Herausforderung stellen werden, das für sich beste Modell auszuwählen. Mal sehen, was sich da in den nächsten Monaten so tut...und mehr dazu dann im neuen Buch "Vergütungssysteme gestalten: agil, rechtssicher + nichtmonetär".😏

Quellen:








Donnerstag, 25. Oktober 2018

Und was bitte ist Karriere? - Eine persönliche Studie mit lebendiger Fortsetzung Teil 3

Danke an Brendan Church, unsplash


Was bedeutet Karriere für Dich?

Unter diesem Motto hatte ich vor einiger Zeit begonnen, Menschen in meinem Umfeld danach zu fragen. Das Ziel dabei: weg von einer abstrakten Studie hin zu ganz persönlichen und individuellen Erfahrungen. Denn letztendlich kommt es doch immer auf den Einzelnen an, wie er sein Arbeitsleben gestaltet und damit auch, was Karriere für ihn bedeutet.
Es geht also nicht um wissenschaftliche Vollkommenheit sondern um persönliche Impulse, Anregungen und Sichtweisen. Eine Einladung an alle, die Lust haben, ihre Perspektiven und ihr Verständnis zu erweitern und sich neugierig auf die Motivation eines anderen einlassen mögen.
In jüngster Zeit beschäftigt mich unter anderem das Thema agile Arbeitszeiten und so fand ich es besonders interessant, mich mit Nathalie, 31 Jahre, zu unterhalten, die als duale Studentin sowohl arbeitet als auch studiert. Was ich so von außen beobachte erfordert das schon auch eine große Selbstorganisation, diese unterschiedlichen Zeitfenster (inklusive Lernphasen) unter einen Hut zu bekommen. Und ja, warum macht sie das? Ist ja nicht nur ein Spaziergang. Nur der Karriere willen?
Hier Nathalies Antwort: 
Karriere – bis vor kurzem habe ich mir über dessen Bedeutung gar nicht so viele Gedanken gemacht, bis Du, Britta, mit Deiner Frage auf mich zugekommen bist. Also was bedeutet es nun für mich… Ich glaube Karriere heißt nicht gleich immer Aufstieg, Geld und Macht, eine bessere Position im Job oder sogar Chef sein. Ich glaube Karriere, gerade für mich, bedeutet einfach, endlich das zu tun, was einem Spaß macht. Karriere kann vorwärts gehen, also die Leiter hoch, Karriere kann aber auch rückwärts gehen, also die Leiter wieder runter, was ich selbst schon schmerzlich erfahren musste. Eigentlich wollte ich unbedingt immer Anwältin werden. Das war schon immer der Plan für meine Karriere. Zur Schule gegangen, Abi gemacht, angenommen an der Uni Köln, Jurastudium begonnen. Bis dahin soweit alles ganz „nach Plan“.
Leider, wirklich leider, dümpelte das Studium so ein wenig vor sich hin und ich habe erst, als es eigentlich zu spät war, die Kurve gerade so noch bekommen und mein Grundstudium abgeschlossen. So richtig kann ich gar nicht beschreiben, warum das Studium vor sich dümpelte…Ich glaube es war einfach eine Mischung aus #Studentlife zu sehr genossen und einfach immer zu spät gelernt vor jeder Klausur J. Während dieser Zeit wurde mir dann aber doch eins klar: eigentlich will ich gar nicht Jura studieren, BWL gefällt mir doch viel besser J. Nach wie vor interessiere ich mich für sehr viele juristische Artikel und Themen, doch nachdem ich nicht mehr aufgehört habe jedes Essen auszurechnen bzw. neu zu kalkulieren, wenn ich einkaufen war und den Preis als zu niedrig oder zu hoch empfand, oder auch jede Rabattaktion aus Marketingsicht zu hinterfragen dachte ich mir, dass ich diese Gedanken doch mal weiterverfolgen sollte. 
Danke an Emily Morter, unsplash
Kurz entschlossen habe ich mich dann einfach an der EUFH (Europäischen Fachhochschule) beworben für General Management mit Spezialisierung auf Marketing und damit meine ursprünglichen Karrierepläne über Bord geworfen. Ich habe mich bewusst für ein duales Studium entschieden und nicht einfach an der Uni Köln den Studiengang gewechselt. Wie eingangs schon erwähnt bin ich auch nicht mehr die Jüngste ;-) und mir war es sehr wichtig, endlich in den Arbeitsalltag einzusteigen und einen Abschluss zu absolvieren. Ein entscheidendes Argument für mich war auch der Praxisbezug. Das in der Theorie Erlernte kann in der Regel - dieses Glück habe ich in meinem Unternehmen auf jeden Fall - sofort in die Praxis umgesetzt werden. Ich habe den Einstellungstest an der Uni bestanden und wurde in meinem Wunschunternehmen aufgenommen. Und aktuell kann ich fester Überzeugung sagen, dass es definitiv die richtige Entscheidung war, meine Karrierepläne, nach dem kleinen Karriereknicks, zu ändern und einen anderen Weg einzuschlagen. In meinem Unternehmen gibt es Aufstiegschancen, wir arbeiten auf Augenhöhe und leben flache Hierarchien. Es steht nicht die persönliche Maxime im Vordergrund, sondern gemeinsam und gemeinsame Ziele zu erreichen, die wir uns als Kollegen setzen und von der Geschäftsführung vorgelebt bekommen. Karriere bedeutet in meinen Augen einfach einen sicheren Job zu haben, ein Job der mein Privatleben respektiert und mich nicht 50 Stunden oder mehr wöchentlich schuften lässt, ein Arbeitsumfeld, das ich gerne jeden Morgen betrete und mit Kollegen zusammen zu arbeiten, die mittlerweile zu Freunden geworden sind. Und am Wichtigsten daran ist: ich mache genau das, was mir Spaß macht: Digitales Marketing, Messen, Designen und die Marke VEDA nach vorne zu bringen. Ich arbeite in einem super Team genau an den Ansätzen, die mich wirklich interessieren und dabei kommt sogar das Juristische aufgrund der DSGVO nicht zu kurz. In unserem Team ergänzen wir uns super und wir lachen viel. So bin ich produktiv, ausgeglichen und fokussiert. Natürlich möchte auch ich nicht auf der Stelle treten und schauen, wohin mich meine Karriereleiter noch bringt. All dies bedeutet für mich Karriere. 
Was bedeutet heutzutage Karriere in unserer Arbeitswelt aus Deiner Sicht? 

Das ist schwierig zu sagen, ich denke, dass Karriere ein subjektiver Begriff ist und ihn jeder für sich selber definieren sollte. Was mir aber häufig aufgefallen ist und ich auch immer wieder höre ist, dass Karriere heutzutage für viele eben doch noch bedeutet, dass sie aufsteigen wollen, in einer möglichst hohen Position arbeiten wollen. An meiner Uni werden wir für Managementpositionen ausgebildet und gerade da hört man bei vielen Jüngeren - ich bin da ja schon etwas älter ;-) - noch, dass sie unbedingt direkt als Manager in ein Unternehmen einsteigen wollen und salopp gesagt, dann nicht mehr arbeiten wollen, aber die Kasse klingeln soll.

Bedeutet Karriere jetzt eine hohe Position, seine Familie kaum noch zu sehen, immer unterwegs zu sein? Oder sagt Karriere, dass Träume verwirklicht werden sollen, egal in welche Richtung sie gehen?
Ich denke, gerade heute, in Zeiten des Fachkräftemangels, kann Karriere einfach vieles sein: Aufstiegsmöglichkeiten, Förderung, Festanstellung, möglichst hoher und guter Abschluss des Studiums, viel Geld, ein sicherer Job, unbefristete Arbeitsverhältnisse, usw. Es bleibt jedem selbst überlassen, welchen Weg er verfolgt und was er daraus macht. Karriere ist eben ganz individuell.

Foto: Nathalie Herper




Montag, 24. September 2018

Zusammenarbeit - was hat das mit Karriere zu tun?

Quelle: Unsplash Randy Flath


Und was bitte ist gute Zusammenarbeit? 

Wir reden von vernetzter Zusammenarbeit, Unternehmen wollen agil arbeiten und Mitarbeiter wünschen sich bei ihren Einstellungsgesprächen zu 90 % eine „gute Arbeitsatmosphäre“ im Team. Wie beeinflusst unsere Karriere – oder das, was für uns wichtig ist – der Faktor „Zusammenarbeit“? Eine Frage mit der sich jeder HR´ler beschäftigen muss. Eine von Ihnen ist Diana Roth. Sie war jahrelang selber im Personalbereich tätig und hat sich jetzt auf Coaching von Personalerinnen spezialisiert. Wie Diana die Frage auflöst, was für einen Bewerber gute Zusammenarbeit und damit ein wesentlicher Karrierefaktor für ihn ist, das schildert sie im Folgenden:


Wer ist der MAN in Teamarbeit?

Karriere und Zusammenarbeit
Jeder 3. Bewerber erklärt mir, dass gute Zusammenarbeit in seiner neuen Stelle, entscheidend ist. Eine HerzBlutPersonalerin kann es sich in solchen Moment nicht nehmen lassen.

Sie muss nachfragen und zwar ungefähr so:
„Danke. Ich habe verstanden, dass Ihnen eine gute Zusammenarbeit/ein gutes Team sehr wichtig ist. Was ist denn für Sie gute Zusammenarbeit?“
Und jetzt beginnt der Balanceakt des Bewerbers.
Er überlegt, ob er mich mit diplomatischen Satzphrasen zufrieden stellen soll, oder ob er klar sagen will, was sein Bedürfnis ist.
In den letzten 30 Jahren meiner HR-Arbeit in sechs verschiedenen Branchen, habe ich gerade diese Antworten auf diese Frage festgehalten. Hier nun die vier Antworten in der Reihenfolge der Häufigkeit:

                             1. „Ja, wenn man sich wohl fühlt im Team!“
                            2.  „Wenn man gerne arbeiten kommt!“
                            3. „Wenn man gemeinsam am gleichen Strick zieht!“
                            4. „Wenn man sich gegenseitig hilft!“

Wer ist der MAN?
Diese Antworten provozieren bei mir natürlich Rückfragen. „Ja, wann fühlen Sie sich denn wohl in einem Team?“. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzen viele Bewerber generalisierenden Aussagen. Auch die Formulierung „man“ ist einer Personalerin grundsätzlich suspekt. Wenn ich einen guten Dialog mit dem Bewerber führe und auch Humor in dem Gespräch (ich mag das Wort Interview nicht) von beiden Seiten möglich ist, frage ich auch schon mal: “Wer ist der MAN?“

Und erst dann ist ein offener, tiefer Austausch möglich. Ich bemerke, dass sich gerade hier Bewerber hinter Plattitüde verstecken, obwohl ihnen eine Zusammenarbeit stark am Herzen liegt.

Teammitglieder - Individuen
Es gibt so viele Mitarbeitertypen, die ein Team bereichern können. Ich habe mich entschieden hier meine "big 4" vorzustellen. Daher ist die Aufzählung als nicht abschließend zu sehen.

Da gibt es den dominanten selbsternannten Teamleader, der gerne offen und direkt ist. Der durch Verhandlungen Übereinstimmung erzielt. Der gerne Probleme für die Gruppe löst. Sich aber auch unsensibel gegenüber den Gefühlen der anderen zeigt. Er ist zwar ausdauernd – aber in Gruppenprozessen voll Ungeduld.
Da gibt es das humorvolle Teammitglied, welches gerne im Rampenlicht steht. Er fühlt sich in einem demokratischen Umfeld wohl. Hier müssen seine Beiträge anerkannt und gewürdigt werden. Er reißt die Gruppe mit seinem Optimismus mit – verspricht aber leider auch mehr als er halten kann.
Da gibt es den klassischen Teamplayer mit dem fürsorglichen Ansatz, der wie eine Glucke das Team hegt und umpflegt. Er mag Ideen, die an Bewährtes anknüpfen und sorgt selber für ein angenehmes und kooperatives Umfeld. Er mag Teammitglieder, die freundlich mit ihm umgehen und sich nicht nur für seine Arbeit, sondern auch für ihn interessieren. Er ist der große Unterstützter, der sich jedoch selbst verliert, da er sich ständig anpasst und damit Chancen verpasst.
Und schlussendlich gibt es den superkorrekten Kollegen. Der durch Genauigkeit, Organisation, Details und Präzision auffällt. Er hält sich gerne an Regeln und bringt seine gut begründeten Bedenken regelmäßig in Gruppenentscheide ein. Er sorgt für Ordnung und fällt durch seinen konzentrierten Blick auf Details als bremsend auf.

Und alle wollen doch dasselbe: Akzeptiert und respektiert werden. Nur jeder definiert dies für sich ganz individuell. Unvergleichbar. So wie wir alle Individuen sind, so ist auch dieser Begriff sehr unterschiedlich belegt. Um die Reibungsverluste untereinander abzufangen, müssen sie die individuellen Unterschiede verstehen. Das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit ist bei den meisten Menschen sehr ausgeprägt.


Was hat ein gutes Team mit Karriere zu tun?
In den letzten Jahren habe ich als HR-Leiterin immer wieder Teams begleitet, die einen mehrmonatigen Krankheitsfall eines Mitarbeiters, mitaufgefangen haben.

Im Gegenzug erlebte ich, dass ein anderes Team bereits nach 4 Wochen auf die Barrikaden ging, da man nicht mehr bereit war, für den Kollegen einzuspringen.
Ein gutes Team kann die Karriere eines Einzeln und eines ganzen Teams fördern oder behindern.
Beides ist möglich.

Einer für alle - Alle für einen
Ich unterrichte angehende Marketingmanager in einer Fachhochschule. Dort gibt es eine Prüfungsarbeit, welche als Gruppenpuzzle tituliert wird. Gruppen von 3 -5 Studenten müssen ein Thema aufbereiten und in Form einer kleinen Diplomarbeit abgeben. Anschließend müssen sie diese präsentieren und Fragen dazu beantworten. Es gibt eine Gruppennote. EINE. 
Hier beobachte ich immer wieder, wie diese Zusammenarbeit in beide Richtungen gehen kann. Und die wenigstens Gruppen ziehen das schwächste Glied der Gruppe mit hoch. Ich erlebe, dass die Leistungen und das Verhalten der „schwächsten“ Gruppenmitglieder, die anderen stark beeinflusst.
Mit schwachen Gruppenmitgliedern sind meist starke Personen gemeint, die jedoch ein völlig anderes Arbeitsverhalten haben und in gewissen Situationen lieber minimalistisch Beiträge leisten. Sie rechnen damit, dass die leistungsstärksten und ehrgeizigsten Gruppenmitglieder alles tun um eine gute Note zu erhalten.
Ich muss dann immer an den Spruch: T.E.A.M = d.h.  toll ein anderer machts denken.
Für mich spiegelt dies die Zusammenarbeit in einem Team wieder. Auch hier kann ein einziger fauler Apfel eine Reihe von gesunden, knackigen Äpfeln so anstecken, dass schlussendlich alle ungenießbar sind. Umgekehrt wird ein gesunder, rotbackiger Apfel unter lauter faulenden Äpfeln sich rasch angleichen.

Kennst Du die X und Y-Theorie von Mc Gregor?
Mc Gregor beschreibt in seiner These zwei verschiedene Menschentypologien. Ganz rudimentär zusammengefasst:Theorie X:Der Mitarbeiter hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und versucht dieser, aus dem Weg zu gehen. Er vermeidet, Verantwortung zu übernehmen, hat nur wenig Ehrgeiz.Theorie Y:Arbeit ist für diesen Typ Mensch eine wichtige Quelle der Zufriedenheit, denn er ist von Natur aus leistungsbereit und leistungswillig. Arbeit bietet ihm die Befriedigung seines Strebens nach Selbstverwirklichung. 

Mein Fazit:
X-Mitarbeiter schätzen eine gute Zusammenarbeit aus anderen Beweggründen wie Y-Mitarbeiter.

Welchen Stellenwert hat gute Teamarbeit für mich in der heutigen „new-workigen“ Zeit?
Ich bin ja der Meinung das New Work „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist.
Daher: der Stellenwert von guter Teamarbeit war immer schon wichtig. Je nach Funktion, Aufgabengebiet, Branche, Region und Mitarbeitertyp braucht es mehr oder weniger.


Zusammenarbeit ist sehr wichtig.

Zusammenarbeit hat einen hohen Stellenwert.


Da zukünftig gesamte Arbeitsprozesse und Strukturen mehr und mehr virtualisiert auftreten, werden Unternehmen auf fest angestellte Mitarbeiter verzichten. Kleine Arbeitspakete werden von Projektarbeitern in sogenannten Talent-Clouds virtuell zusammenarbeiten. Da heißt es dann Zusammenarbeiten ohne teilweise sich je zu persönlich zu begegnen. Hier wird das Thema Kommunikation und klare Regeln einen großen Stellenwert erhalten.

Aber der Satz:
„Wer alleine arbeitet, addiert: wer zusammenarbeitet, multipliziert.“ (Arabische Lebensweisheit)
wird weiterleben.

Foto: Diana Roth

Diana Roth
HerzBlutPersonalerin
HR-Expertin, HR-Fachbuchautorin,
HR-Podcasterin, HR-Youtuberin
Schweiz

Freitag, 7. September 2018

#NewPay - Konsequenz oder längst überfällig im HR?

Foto: Maria Imelda, Unsplash

Unsere Arbeit verändert sich: Agilität, Kollaborative Plattformen, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des einzelnen Mitarbeiters stehen vermehrt im Fokus bei Unternehmen. Das hat Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. Doch wenn wir über unsere Zusammenarbeit sprechen, dann wirft das unweigerlich auch Fragen zu unserer Vergütung auf – denn schließlich arbeiten wir nicht kostenlos sondern stehen zu unserem Arbeitgeber in einem Austauschverhältnis: Vergütung gegen (Arbeits-)Leistung.  Ändern sich also unsere Arbeitsbeziehungen dann ist die Frage berechtigt, ob denn dann noch die derzeitigen Vergütungssysteme eigentlich zum »Neuen Arbeiten« passen? Welche (neuen) Anreize oder Boni brauche ich, wenn wir eine andere Zusammenarbeit haben? Was ist in dem Sinne »gerecht«? Darüber zu sprechen, ist aber immer noch ein Tabu hierzulande. Da es bei New Work um das Miteinander, um Transparenz und Kommunikation geht, lässt sich das Thema Gehalt hier nicht ausklammern. Und schon gar nicht in HR Abteilungen.


Und so wollen wir #NewPay sichtbar machen. Genauso wie Transparenz bei neuen Arbeitsformen eine zentrale Rolle spielt, möchten wir zu einem transparenten Umgang zum Thema Gehalt beitragen.
Wir, das sind Nadine Nobile, Gründern von CO:X und Initiatorin des New Work Women Netzwerkes und ich, Britta Redmann, Director Corporate Development&HR bei der VEDA GmbH und Arbeitsrechtlerin. Dieser Beitrag findet sich auch im Veda Blog https://www.veda.net/de/


Was ist uns wichtig bei #NewPay?

Klare Regeln

Britta: Für mich als Arbeitsrechtlerin ist es wichtig, dass wir klare Regeln haben. Dass sich neue Gestaltungslinien  - erstens -  im gesetzlichen Rahmen bewegen, und dass diese – zweitens - so aufgesetzt sind, dass sie konfliktvermeidend sind, ohne ewig langes Auslegen und Diskutieren. 

Nadine: Definitiv, denn klare und einheitliche Regeln sichern Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz, auch dann, wenn einzelne Komponenten des Vergütungsmodells nicht den eigenen Präferenzen entsprechen. Denn allen Beteiligten ist klar: Es gibt nicht das eine System, das allen Ansprüchen gerecht werden kann. Bedeutsamer für Mitarbeiter ist, dass das bestehende Vergütungsmodell verlässlich ist.


Förderung Agilität

Britta: Die Bezahlung ist immer noch ein wichtiger Faktor, aber die Kernfrage heute lautet, inwieweit Kandidaten ihre – ganz subjektiven - Bedürfnisse befriedigt bekommen. Das Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung ist da: wann arbeite ich, wo arbeite ich. Es geht um individuelle Arbeitszeitmodelle, die  Homeoffice oder kleine Auszeiten flexibel ermöglichen und die mit agilem Arbeiten abbildbar sind. Die Verantwortung wird dabei sowohl vom Team als auch vom Einzelnen mitgetragen. In traditionellen Unternehmen liegt diese noch beim Chef oder der einzelnen Führungskraft.  Je agiler in einer Organisation gearbeitet wird, umso mehr wird sich auch Verantwortung verteilen müssen.

Nadine: Dem kann ich nur zustimmen. Wir erleben eine Entwicklung hin zur Individualisierung und zur Flexibilisierung – und das über alle Altersgruppen. Das zeigt sich unter anderem beim letzten Tarifabschluss der Deutschen Bahn. Dort hatten die Beschäftigten die Wahl zwischen 2,6% mehr Lohn, 6 Tage mehr Urlaub oder eine entsprechend kürzere Wochenarbeitszeit. 58% der Beschäftigten entschieden sich für mehr Urlaub, 40% für mehr Geld und der verbleibende Rest für geringere Wochenarbeitszeit. Interessant dabei ist, dass das „Wahlergebnis“ über fast alle Altersgruppen ähnlich ausfiel. Gleichzeitig konnte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, die diesen Tarifabschluss verhandelt hatte, einen vierstelligen Zuwachs an Mitgliedern verbuchen. Denn, so eine Gewerkschaftsvertreterin bei einem Gespräch, die Menschen wollen selbst die Wahl haben, was aktuell besser in ihre Lebenssituation passt.


Was ist mir diese Leistung wert?

Britta: Auf welche Art und Weise trägt ein Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg bei und was ist mir diese Leistung wert? Ich glaube, dass unser bisheriges, zahlengetriebenes Verständnis von Leistung nicht mehr pauschal passt auf heutige und erst recht künftige Anforderungen. Leistung wird noch weitgehend bewertet mit „zählen, messen, wiegen“ und mit einer konkreten  Eingliederung von Tätigkeiten in Vergütungsgruppen. Fakt ist doch, dass Unternehmen es schaffen müssen, sich schnell zu verändern und auf neue Dinge einzustellen. Das gilt insbesondere  auch für die Mitarbeiter, die in diesen Unternehmen arbeiten. Alles, was dazu beiträgt, diese Veränderungskompetenz zu fördern, hat eine Wettbewerbskomponente und ist gut! 

Nadine: Ja, Du hast Recht, und diese stetigen Veränderungen in einem Vergütungsmodell abzubilden ist eine Herausforderung. Was es dafür meines Erachtens bedarf ist ein ergebnisoffener Dialog darüber, was ein Unternehmen konkret vergüten möchte. Und welche Rolle dabei Qualifikation und Erfahrungen, Engagement und Leistung oder auch soziale Faktoren spielen. Es ist spannend wie unterschiedlich dazu die Antworten ausfallen. Und es ist immer wieder fasziniert, wenn man mit Menschen aus Organisationen spricht, die ihr Gehaltsmodell partizipativ entwickelt haben, wie stimmig die unterschiedlichsten Modelle argumentiert werden. Vieles ist denk- und machbar – wichtig ist vor allem eines, was passt zu den Menschen und was dient der Wertschöpfung der Organisation.


Vergütung ist mehr als Geld:

Britta: Unternehmen wollen die besten Mitarbeiter haben. Und natürlich sollen diese möglichst lange dem Unternehmen loyal verbunden bleiben. Es wird also zukünftig noch viel mehr darum gehen, Mitarbeiter zu Unternehmens-“treue“, Verantwortung und Veränderung zu motivieren. Gerade jedoch die Haltung eines Mitarbeiters, wie Loyalität, Treue, Verantwortung – das lässt sich in keine vertragliche Vereinbarung packen. Und damit stellt sich auch die Frage, ob Geld alleine hier als Motivator ausreicht?
Wenn ich an heutige Vorstellungsgespräche denke, dann erlebe ich, dass Fragen
nach flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Anzahl der Urlaubstage  heute die Regel sind und nicht mehr die Ausnahme. Und umso stärker die Rivalität um eine bestimmte begehrte Berufsgruppe, wie z.B. Java Entwickler, Ingenieure, Datenschutzrechtler oder Mathematiker ist, werden diese Faktoren im Rahmen des Themas „Arbeitsbedingungen“ zum attraktiven Wettbewerbsfaktor für Unternehmen.

Nadine: Diese Beobachtung kann ich teilen. Und gleichzeitig erlebe ich immer wieder, sind Mitarbeiter mit der eigenen Arbeitssituation unzufrieden, dann zeigt sich diese Unzufriedenheit auch sehr oft am Gehalt. Man fordert in wahrsten Sinne des Wortes ein „Schmerzensgeld“ ein, um das eigene Arbeitsleid zu lindern. Was wir ebenfalls oft beobachten ist, dass Gehaltsthemen dann hoch kommen, wenn  im Team- oder Unternehmensgefüge Störungen vorliegen, und sich Mitarbeiter ungerecht behandelt fühlen. Auch dann steht für viele erst Mal die Gehaltsanpassung im Mittelpunkt. Das ist aber weder nachhaltig für die Person noch für das Unternehmen.
Hier hilft ein konstruktiver Dialog. Um was geht es konkret bei der jeweiligen Gehaltsforderung? Was soll die Vergütung aus Sicht des Mitarbeitenden konkret entlohnen und kompensieren? Dabei lernt die Organisation nicht nur, welche Bedarfe und Bedürfnisse Mitarbeitende haben, sondern erhält auch die Möglichkeit schwelende Konflikte und Störungen zu identifizieren und diese aktiv anzugehen.


Zeit statt Geld

Britta: Die Ressource Zeit ist sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiter wertvoll und ein hohes Gut. Beide „buhlen“ darum: Firmen möchten gerne den Kunden bestenfalls rund um die Uhr bedienen und seine Wünsche schnellstmöglich erfüllen – Mitarbeiter möchten gerne über Zeit selbstbestimmen und verfügen. Wichtig aus meiner Sicht ist, dass es für beide Interessenslagen und damit auch betrieblich passt. Alle sind hierbei einzubeziehen. Denn die Flexibilität, die ich anbieten will, kann ja nicht alleine das Unternehmen abfedern, sondern muss im Team ausgeglichen werden. Und wenn wir von mehr Selbstverantwortung für Mitarbeiter sprechen, dann gehören sich selbstorganisierende Teams und entsprechende Prozesse und Strukturen dazu. Denn das Arbeitsvolumen vor der Brust muss ja erledigt werden. Sonst leidet der Kunde.

Nadine: Und eine Frage, die wir uns dabei ebenfalls stellen sollten ist, wie viel Arbeitszeit macht Sinn. Rheingans, Digital Enabler, eine IT-Firma aus Bielefeld, hat hier eine ganze eigene Antwort gefunden: 25 Stunden Arbeitszeit bei vollem Lohn. Der dortige Chef ist davon überzeugt, dass es keinen Sinn macht, wenn Mitarbeiter acht, neun oder gar zehn Stunden am Stück programmieren. Denn irgendwann nimmt die Konzentration ab, es passieren Fehler und auf Dauer, bleibt zu wenig Zeit und Energie sich fachlich weiter zu entwickeln. Aus diesem Grund hat er ein Experiment gestartet und seinen Mitarbeitern den 5-Stunden-Tag verordnet. Bislang ist der Geschäftsführer mit den Ergebnissen zufrieden. Und so dauert das Experiment nun auch schon seit November an.
Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft auch in weiteren Bereichen das Postulat des 8-Stunden-Tags hinterfragen und überdenken sollten. Denn es rührt aus den Anfängen des Industriezeitalters und das haben wir doch mittlerweile hinter uns gelassen. Die Frage sollte meines Erachtens auch hier lauten: Was macht Sinn? Aus Sicht der Beschäftigten und des Unternehmens?   

Britta: Genauso sehe ich das auch. Es geht also um viel mehr als nur Geld beim Thema Vergütung. Ich behaupte sogar, das Unternehmen, wenn sie ein attraktiver Beziehungspartner für Mitarbeiter sein wollen, in „agilen Währungen“ bezahlen müssen.

Und so möchten wir das Thema gemeinsam von unterschiedlichen Facetten beleuchten und mit denen besprechen, die es tangiert: mit Ihnen.

Wo:    Auf der Zukunft Personal 2018 #ZP18, Hallo 2.1. Raum 3, Messe Köln
Wann:          13. September 2018 11:30 – 13:15

Wir freuen uns!

Britta & Nadine

Mein Blog ist umgezogen...

Mein Blog ist umgezogen - er findet sich jetzt hier direkt auf meiner Webseite:  https://www.britta-redmann.de/blog/