Sonntag, 10. Dezember 2017

Auch Weihnachtsfeiern sind Arbeitsrecht

Foto: Fotolia

Alle Jahre wieder kommt nicht nur Weihnachten sondern damit verbunden auch in vielen Unternehmen die obligatorische Weihnachtsfeier. 
Für diejenigen, die sie vorbereiten müssen, bringt eine solche Feier immer eine Menge an Herausforderungen (um es mal positiv zu formulieren 😉), die nicht nur organisatorischer Art sind: 

Inhalt:
1. Alle glücklich machen...
2. Muss überhaupt gefeiert werden?
3. Müssen Mitarbeiter an der Weihnachtsfeier teilnehmen?
4. Muss die Feier-Zeit bezahlt werden?
5. Muss jeder eingeladen werden?
6. Muss etwas geschenkt werden?
7. Und wenn sich jemand nicht benimmt?
8. Was passiert mit Unfällen auf der Feier?
9. Dürfen Fotos veröffentlicht werden?

1. Alle glücklich machen....
Angefangen bei der Ernährung:

Ist wirklich etwas Essbares für jeden (!) Geschmack (gut-bürgerlich, die Fleischliebhaber, die Vegetarierer, die Veganer…) dabei?
...Über die Frage der Musikrichtung:

Wer mag das „Beste aus den 80s und 90s und wer steht eher auf Techno, Elektro, Schlager, Rock & Pop oder vielleicht mag der ein oder andere auch lieber Weihnachtslieder singen?
...Bis hin zum Unterhaltungsprogramm, das möglichst Spaß und gute Laune für alle garantieren soll. Und dann soll das Ganze natürlich auch noch in einem verträglichen Kostenrahmen bleiben (so der Wunsch des Controlling….).

Neben diesen eher organisatorisch zu bewältigenden Aufgaben gibt es weiterhin auch arbeitsrechtliche Fragestellungen, die im Rahmen einer Weihnachtsfeier auftreten und ebenso in schöner Regelmäßigkeit dann bei am Ende des Jahres bei der Planung aufschlagen. Insofern lohnt sich Blick lohnt, um hier vorbereitet zu sein.

2. Muss überhaupt gefeiert werden?
Nein, das muss es nicht. Die Ausrichtung einer Weihnachtsfeier als auch die Art und Weise sind grundsätzlich freiwillig. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn es speziell in Unternehmen eine abgeschlossene Betriebsvereinbarung hierüber gibt oder eine betriebliche Übung zum Feiern entstanden ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn in den letzten drei Jahren eine Weihnachtsfeier ohne einen Vorbehalt einer „einmaligen Ausrichtung“ vom Arbeitgeber organisiert wurde und dadurch bei Mitarbeitern der Eindruck entstehen konnte, das wird nun wohl jedes Jahr so sein. 

☝TIPP: Unternehmer die hier also ganz auf der rechtlich sicheren Seite sein wollen, sollten daher mit der Einladung der Mitarbeiter zur Weihnachtsfeier direkt auch die Erklärung aufnehmen, dass eine solche Feier freiwillig ist und auch in Zukunft kein Rechtsanspruch darauf besteht. 

3. Müssen Mitarbeiter an der Weihnachtsfeier teilnehmen?
Tatsächlich kannte ich mal einen Firmeninhaber, der noch Jahre später aufsagen konnte, welcher Mitarbeiter auf der Weihnachtsfeier erschienen ist und wie lange er oder sie geblieben ist. Für ihn war das wie ein „persönlicher Affront“ wenn jemand nicht gekommen ist oder zumindest auch keinen aus seinen Augen vertretbaren Grund vorweisen konnte, nicht zu kommen. In den meisten Unternehmen ist dies zum Glück heute anders. Wobei schon auch die Anzahl der erscheinenden Mitarbeiter für viele Geschäftsführer und Vorstände ein Zeichen für die Kultur im Unternehmen darstellt. So nach dem Motto: Sind viele auf der Weihnachtsfeier und herrscht eine tolle Stimmung dann haben wir auch kein Problem mit unserer Kultur und die Zusammenarbeit funktioniert. Auch dieser Gedanke ist sicherlich zu kurz gegriffen und eine ausgelassene Stimmung auf einer einzigen Feier kein Indikator für die generelle Zusammenarbeit. 
Fakt ist jedenfalls, nein, es besteht keine Verpflichtung für Mitarbeiter an einer Weihnachtsfeier teilzunehmen. 

☝TIPP: Feiern gehört nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten oder Nebenpflichten und ist daher immer freiwillig. 

4. Muss die Zeit während der Weihnachtsfeier vergütet werden?
 Eine beliebte Frage, die wirklich immer wieder auftaucht 😊. Und hier kommt es wirklich darauf an, wie die Feier gestaltet wird. Findet die Feier während der regulären Arbeitszeit statt, ja, dann ist die Zeit auch entsprechend zu vergüten. Im Prinzip ist es rechtlich so, dass die Mitarbeiter dann zum Feiern entgeltlich „freigestellt“ werden. Diejenigen Mitarbeiter, die nicht mitfeiern sind daher weiterhin verpflichtet, ihrer normalen, üblichen Arbeitsleistung in dieser Zeit nachzukommen (oder sich Urlaub oder Gleitzeit zu nehmen, wenn sie nicht zur gleichen Zeit anwesend sein wollen).
Findet die Feier dagegen außerhalb der üblichen, regelmäßigen Arbeitszeit statt, dann ist dies sozusagen „Freizeit“ und es gibt keine Vergütung für diese Stunden. 

☝TIPP: Will der Arbeitgeber nicht für die Zeit der Dauer der Weihnachtsfeier zahlen, muss sie außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegen. 

5. Muss jeder eingeladen werden?
Im Prinzip ja. Zumindest darf es keinen „Nasenfaktor“  geben, wer eingeladen wird oder wer nicht. Ausnahmen sind eher organisatorischer Natur, wenn es bestimmte Teams oder Abteilungen gibt, die den betrieblichen Ablauf notwendigerweise aufrechterhalten müssen. Also z.B. bei Krankenhäusern, 24 Stunden Dienstleistern, Feuerwehr, Notdiensten, etc. 

☝TIPP: Sind in solchen Fällen Entscheidungen zu treffen, wer Dienst hat und wer nicht, dürfen hier keine Benachteiligungen wegen der Herkunft oder Religion erfolgen (AGG). 

6. Muss etwas geschenkt werden?
 Nein, es muss nicht – allerdings gilt auch hier wieder das schon zur betrieblichen Übung ausgeführte: hat der Arbeitgeber bereits in den letzten 3 Jahren hier vorbehaltlos etwas verschenkt, kann ein Anspruch auf ein Geschenk in gleicher Höhe bestehen. 
Wenn sich ein Arbeitgeber entschließt Geschenke zu machen und es unterschiedliche Geschenke für unterschiedliche Mitarbeiter geben soll, dann hat er hier seinen Betriebsrat zu beteiligen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Dass tatsächlich nur Mitarbeiter Geschenke bekommen, die auch auf der Weihnachtsfeier anwesend sind, ist zulässig. Die sachliche Rechtfertigung und damit kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist durch den Umstand gegeben, zu einer Teilnahme an einer Weihnachtsfeier zu motivieren und die Feier damit ggf. auch attraktiver zu machen.

☝TIPP: Noch zu beachten ist, dass die Kosten für die Weihnachtsfeier inklusive des Geschenks für jeden Mitarbeiter nicht über 100 Euro liegen dürfen. Andernfalls ist sonst ein geldwerter Vorteil gegeben, der dann versteuert werden muss. 

7. Und wenn sich jemand nicht benimmt?
Dann gilt bei Fehlverhalten auf der Weihnachtsfeier das gleiche wie im Arbeitsverhältnis auch: Fehlverhalten oder auch schwere Verstöße wie Beleidigungen, Tätlichkeiten oder sexuellen Belästigungen sind entsprechend zu sanktionieren. Hier gelten die normalen Grundsätze zu Abmahnungen bis hin zu fristlosen Kündigungen. 

☝TIPP: Die gegenseitigen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gelten weitere, auch wenn die Feier außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Betriebsgebäudes stattfinden sollte.

8. Was passiert mit Unfällen auf der Feier?
Kommt es z.B. zu einem Sturz eines Mitarbeiters auf der Weihnachtsfeier so gilt ganz normal der gesetzliche Unfallversicherungsschutz – aber nur, wenn es sich um eine betriebliche Veranstaltung handelt. Nur dann handelt sich um einen Arbeitsunfall, der  entsprechend aufzunehmen und bei der Berufsgenossenschaft zu melden ist.

☝TIPP: Betriebliche Weihnachtsfeiern sind solche, zu der die Unternehmensleitung selbst einlädt. Das kleine, kollegiale „Glühweintrinken“ auf dem Weihnachtsmarkt wäre daher keine solche betriebliche Veranstaltung.

9. Dürfen Fotos von der Feier veröffentlicht werden?
Nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Kollegen bzw. von denjenigen, die fotografiert wurden. Das gilt für Veröffentlichungen von Mitarbeitern – z.B. in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter – genauso wie für Veröffentlichungen durch den Arbeitgeber z.B. in Internet, auf der Webseite oder in Imagebroschüren.
Hält sich der Fotografierende hier nicht daran, kann dies zu Unterlassungsklagen und Schadensersatzforderungen bis sogar zu einer fristlosen Kündigung führen.

☝TIPP: Vor jeder Veröffentlichung vorher den anderen fragen.

Unabhängig von den Herausforderungen einer perfekten und rechtlich sicheren Weihnachtsfeier ist jedoch das Wichtigste von allen: 
Die gemeinsame Zeit gerne zusammen zu verbringen. 
In diesem Sinne allen "Fröhliche Weihnachten" 💟
Foto: B. Redmann

Quellen: 1) Rundschreiben der Vereinigten Unternehmerverbände Aachen 1.12.2017 A 36/2017 



Donnerstag, 23. November 2017

1/2 Führung: Geteilte Zeit ist Zeit für alle

Foto: B. Redmann
... und vielleicht auch eine Antwort auf die zunehmende Un-Attraktivität von Führungsjobs?

Leider immer noch eine Seltenheit: Teilzeitführung. Doch im Rahmen des zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Wandels verändern sich auch traditionelle Dinge in der Arbeitswelt wie z.B. „Führungsmodelle“. War dies noch - und ist es aktuell leider heute immer noch überwiegend – ein ganz klassisches „Vollzeitmodell“, weichen diese starren Arbeitszeitstrukturen nun auch für Führungskräfte auf.

Inhalt: 
Dynamik in der Führungswelt
Zeit als neues Geld
Auch Führungskräfte haben Bedürfnisse
Spielräume die wir haben
Arbeitszeit - eine Frage der Haltung
Fazit

Dynamik in der Führungswelt

Hier liegen sicherlich verschiedene Einflüsse zugrunde, die das starre Denken bezogen auf Arbeitszeit für Führungskräfte aufbrechen: Agile Arbeitsweisen, mobiles Arbeiten, überhaupt das „Auflösen von Arbeitszeit und klassischen Arbeitsräumen“, welches immer leichter durch die digitale Technik ermöglicht wird, spielen eine große Rolle. Und auch die „#NewWork-Bewegung“ trägt hier viel Gutes zu bei. Letztendlich wahrscheinlich auch der Umstand, dass es wohl auch immer weniger Menschen gibt, die sich für eine Führungsposition interessieren.

Grafik: B. Redmann

Der Trend ist in Unternehmen absolut rückläufig: viele jüngere Mitarbeiter haben kein Interesse daran, "Führung" zu übernehmen. Das Generationen-Stichwort hierzu lautet: "genug ist genug". Und auch für Mitarbeiter im "besten Alter" ist das "bisschen" mehr Gehalt, was es im Vergleich für eine Führungsposition gibt in Relation zur Verantwortung und dem empfundenen Stress schon lange kein Anreiz mehr. Hier sind sich also alle ziemlich einig.


Zeit als neues Geld

Mit Statussymbolen und Gehalt können Unternehmen Führungspositionen nicht  mehr schmackhaft machen.
Bleibt die Ressource Zeit. Zeit wird immer wichtiger: Für Unternehmen, weil sie die Mitarbeiter benötigen, die möglichst umfänglich zur Verfügung stehen und so der Kunde im besten Fall im 24/7-Service bedient werden kann. Auf der anderen Seite wird es für Mitarbeiter immer wertvoller im Leben, über selbstbestimmte Zeit und frei verfügbare Zeit zu verfügen. Es mag widersprüchlich erscheinen und manchem eher konservativen "Unternehmensfürsten" dreht sich hier vielleicht auch der Magen um, - doch gerade in verantwortungsvollen, kreativen und leistungsfordernden Jobs sind viele Mitarbeiter ausgeglichener, leistungsbereiter und auch glücklicher, wenn sie viele wichtige Bedürfnisse für sich erfüllen können. Und der Faktor Zeit - für was auch immer - ist eine ganz wichtige Facette hierbei. Wenn man so will hat also von "frei verfügbarer Zeit für den Mitarbeiter" der jeweilige Betrieb auch wieder einen großen Nutzen: er wird und ist attraktiv für seine oder künftige Mitarbeiter. Und je attraktiver ein Arbeitgeber für den einzelnen ist, desto verlässlicher und loyaler verhalten sich "seine" Mitarbeiter. 

Eine hohe Zeitflexibilität ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre privaten Belange und ihre Arbeitsanforderungen miteinander zu verbinden. Das muss gar nicht immer die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen– und damit oft ein „Frauenthema“ sein. Es geht genauso darum, einem besonderen zeitaufwendigen Hobby nachgehen zu können und dem, was einem Spaß macht oder wichtig ist...oder einfach auch nur lange An- und Abfahrtswege zur Arbeitsstätte einsparen zu können. Der Grund ist fast egal, - wichtig ist, die Zeit so nutzen zu können, wie es sich die oder derjenige für sich wünschen.  

Auch Führungskräfte haben Bedürfnisse 

Das gilt für Männer und Frauen genauso wie für Jüngere und Ältere und wirkt sich auch bei allen positiv auf das Wohlbefinden und alle Aktivitäten außerhalb des Jobs aus: Gesundheit, Familie, Freundschaften, ehrenamtliches Engagement. Arbeiten von zuhause aus oder an anderen Orten oder eben auch weniger zu arbeiten, kann daher die Verbindung von Arbeit und privaten Bedürfnissen optimieren.
Ja, und das mit den Bedürfnissen und dem Glück, das gilt natürlich alles auch für Führungskräfte. Zudem heißt es in § 6 Teilzeitbefristungsgesetz zur Förderung von Teilzeit: „Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern, auch in leitenden Positionen, Teilzeitarbeit nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ermöglichen“. Gesetzlich wird Teilzeitführung also explizit unterstützt und es ist kein Showstopper, Führungskraft zu sein.   

Spielräume die wir haben


Und wenn wir mal genau hinschauen, dann gibt es sogar schon seit einiger Zeit einen gesetzlich erlaubten betrieblichen Spielraum zur Arbeitszeitgestaltung. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Jobsharing:


Jobsharing liegt vor, wenn sich zwei oder mehr Arbeitnehmer die Arbeitszeit für einen Arbeitsplatz teilen. Der Unterschied zu einem „normalen“ Arbeitsverhältnis  besteht darin, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitszeit bei einem Job-Sharing-Arbeitsverhältnis – auch ohne spezielle Regelung im Arbeitsvertrag – in der Weise eingeschränkt ist, dass die Job-Sharer die Verteilung der Arbeitszeit untereinander selbst bestimmten können. Ihnen kommt insoweit eine gewisse Zeitsouveränität zu. Die dabei aufgestellten Arbeitszeiten sind dem Arbeitgeber rechtzeitig bekannt zu geben. Nur wenn ein rechtzeitige Mitteilung unterbleibt oder auch keine Einigung erzielt wird, dann darf der Arbeitgeber eingreifen.

Damit würde sich gerade vor dem Hintergrund der eigenen Verantwortlichkeit, dieses Modell aktuell gut eigenen können; entspricht es doch stark dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Das Modell des Job-Sharings existiert bereits seit den 80ger-Jahren. Die Praxisbedeutung, die es bisher erlangt hat ist absolut gering. Insbesondere auch  im Führungsbereich…
Neben dem Job-Sharing gibt es immer die Möglichkeit, individuell ein Arbeitszeitmodell festzulegen. Dies erfordert für ein gutes Gelingen allerdings folgende Zutaten:

  • Es braucht die Bereitschaft von beiden Seiten
  • Eine genau passende Lösung deckt die betrieblichen Interessen des Unternehmens
    und die privaten Interessen des Arbeitnehmers ab
  • Kreativität - passende Lösungen gibt es nicht von der Stange und wollen entwickelt werden
  • Mut, einfach auch mal etwas "Neues" auszuprobieren


Und damit bin ich eigentlich beim entscheidenden Punkt. Woran es aus meiner Erfahrung oftmals scheitert und warum vielleicht die bereits vorhandenen gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten insbesondere bei Führungskräften nicht ausgeschöpft werden, liegt daran, dass es ein Umdenken in der Zusammenarbeit erfordert. 

Bild/Grafik: B. Redmann


Arbeitszeit - eine Frage der Haltung

Führungskraft zu sein, bedeutet nicht, allzeit verfügbar zu sein. Im Gegenteil: Als Führungskraft werde ich doch umso mehr für mein geleistetes Ergebnis bezahlt, als für meine Präsenz. Anwesenheit ist nicht gleich Leistung. 
Doch irgendwie scheint dieser Gedanke immer noch in vielen Köpfen zu stecken. Und damit meine ich gar nicht mal nur die obersten Entscheidungsetagen in den Unternehmen: Mitarbeiter empfinden es oftmals genauso befremdlich, wenn sie eine Führungskraft haben, die in „Teilzeit“ da ist. Das wird am Anfang sehr skeptisch beäugt. Meistens steckt folgendes - eher pessimistisches - Denken dahinter:

Es besteht ein Führungsbedarf genau dann, wenn die Teilzeit-Führungskraft gerade nicht da ist.- So kommen von einer Entscheidung abhängige Arbeitsprozesse zum Erliegen, bis die Teilzeit-Führungskraft wieder da ist.- Dieses kollidiert mit den von der Teilzeit-Führungskraft eigentlich geplanten Tätigkeiten. - Die Teilzeit-Führungskraft muss also (ständig) neu priorisieren. - Letztlich dauert alles länger...


Grafik/Bild: B. Redmann


Damit sich dieses Denken nicht verwirklicht bedarf es als ganz entscheidende Komponente Vertrauen und ein entsprechendes „Miteinander“. Und dieses vom und im gesamten Team und Unternehmen, damit eine Teilzeitführung fruchten kann. Vertrauen und Akzeptanz ist keine Einbahnstraße sondern ist von allen beteiligten Seiten zu geben.


Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist, dass dem Vertrauen und der Akzeptanz auch entsprechende Taten folgen müssen. Anders ausgedrückt: jede Vereinbarung muss wirklich gelebt werden: Damit Teilzeit erfolgreich funktioniert, sind eine gute Abstimmung, eine hohe Selbstorganisation und eine absolute Verlässlichkeit erforderlich. Verantwortung, Entscheidungen, Arbeitsabläufe müssen entsprechend darauf abgestimmt werden. Und auch diese gilt bei allen Beteiligten, bei der Teilzeit-Führungskraft genauso wie im Team und genauso wie bei Kollegen und Unternehmensspitze. Derjenige, der nicht da ist, muss sich absolut auf sein Team und die Organisation verlassen können. Und das Team und das Unternehmen muss sich absolut auf den verbindlichen Teilzeiteinsatz verlassen können. Wenn das gegeben ist, dann ist geteilte Zeit ein Gewinn für alle.

Fazit: 


Teilzeitführung wird zunehmend stärker in den Unternehmen angeboten werden müssen, um einerseits den Anforderungen einer veränderten Gesellschaft und Arbeitswelt gerecht zu werden und andererseits auch als Funktion attraktiv zu sein. Darüber hinaus wirkt es sich durch die erhöhte Identifikation, die Berücksichtigung von beiden Bedürfnisseiten und die gemeinsame Lösungsfindung sehr positiv auf die Arbeitsbeziehung und die Leistungskraft aus.

Die Einführung solcher Führungsteilzeit ist bereits jetzt schon sehr gut mithilfe von individuellen Vereinbarungen und der Ausschöpfung von gesetzlichen Modellen möglich. Hier ist weniger das Entwickeln des richtigen Zeitkonzeptes das Problem, als eher eine positive Einstellung zur Vorgehensweise zu haben sowie den Mut und die Konsequenz das passende Modell zu leben.  
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es hierbei ist, dass solche Modelle von „ganz oben“ vertrauensvoll mitgetragen werden. Wenn von der Unternehmensleitung eine ernstgemeinte Bereitschaft zur Führung in Teilzeit besteht, dann schlägt sich das auch automatisch auf die Belegschaft nieder.
Entscheidend ist also die Einstellung dazu – dann klappt’s auch mit der Umsetzung.

Quellen/Hinweise:
1) Redmann, Britta, Agiles Arbeiten im Unternehmen, Haufe 2017
2) AuA, Teilzeitführung, 8/2017, 256 



Donnerstag, 9. November 2017

Freiwilliges Engagement als produktiver Wirtschaftsfaktor?!

Foto: B. Redmann
Mit Ehrenamt verbinden wir Menschen, die sich mit viel Leidenschaft und Liebe für eine Sache engagieren. Und ja, bei meinen Recherchen und Interviews habe ich so viel wunderbare Begeisterung erlebt, wenn mir Menschen von ihren freiwilligen Tätigkeiten erzählt haben – egal, ob es sich hierbei um eine karitative, soziale oder sportliche Aufgabe gehandelt hat. So viel positives Empfinden bei Tätigkeiten finde ich heute selten...


Inhalt
  • Engagement als tragende Säule unserer Gesellschaft
  • Leistung statt Arbeit
  • Freiwillig = Leistung ohne Lohn?
  • Ehrenamt als produktiver Wirtschaftsfaktor
  • Was nix kostet muss doppelt gut sein
  • Fazit


Engagement als tragende Säule unserer Gesellschaft
Ich glaube, viele Menschen sehnen sich nach einer „sinnvollen“ Tätigkeit, wissen aber manchmal gar nicht, wie und wo sie gebraucht werden. Im bezahlten Berufsleben bleibt oft – aus den unterschiedlichsten Gründen – manche Sinnerfüllung auf der Strecke. In vielen Bereichen unterstützen freiwillig Engagierte unsere Gesellschaft in wesentlichen Funktionen des sozialen Lebens: sei es im Sport, in dem fast der komplette Amateurbereich ehrenamtlich „trainiert“ wird, sei es im Rettungswesen und Katastrophenschutz, in der Kultur, der Gesundheit oder auch der Politik, um nur einige zu nennen. Ohne all diese engagierten Helfer wäre ein breites Angebot an Diensten und Leistungen gar nicht realisierbar. Freiwilliges, ehrenamtliches Engagement stellt eine tragende Säule für die Versorgung, die Lebensqualität und die Bildung in unserer Gesellschaft dar. Und in dieser zentralen Funktion sorgt freiwilliges Engagement auch für Nachhaltigkeit. 

Leistung statt Arbeit

Freiwilliges Engagement ist – abgesehen von den gesetzlichen Aufwandsentschädigungen – unentgeltlich. Aus diesem Grund gibt es bislang kaum betriebswirtschaftliche Betrachtungen, da die „normalen“ Berechnungsfaktoren wie Umsatz oder Lohnkosten hier nicht vorliegen. Wenn wir jedoch von einer tragenden gesellschaftlichen Funktion ausgehen, ist es wichtig, diese auch einmal unter dem Blickwinkel der Produktivität zu betrachten.

Wenn wir von Leistung sprechen, gehen wir normalerweise davon aus, dass diese in einem geldwerten Gegenleistungsverhältnis steht. Eine Leistung wird erbracht und „bezahlt“. So kennen wir es aus unseren Arbeitsverhältnissen: wir leisten und bekommen im Gegenzug Gehalt dafür. Die Rollen sind dabei eindeutig verteilt: Leistender ist stets der Mitarbeiter, der Bezahlende ist immer der Arbeitgeber. Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass in der Regel auch keine Leistung erbracht wird, wenn keine Bezahlung erfolgt. In den meisten Arbeitsverhältnissen ist dies mit Sicherheit der Fall. Gerade deswegen wird in vielen Unternehmen – immer noch – versucht, durch besondere Formen von zusätzlichen Entlohnungen (Zielvereinbarungen, Gratifikationen, Tantiemen, etc…) die Arbeitsleistung der Beschäftigten „anzureizen“ und zu steigern. Geld und Bezahlung gelten in der Wirtschaft oft als Garant für zu erbringende (höhere) Leistung.


Freiwillig = Leistung ohne Lohn?
Dieser Grundsatz „Leistung gegen Entgelt“ ist jedoch nicht absolut anwendbar. Sonst ließe sich das hohe ehrenamtliche Engagement – es engagieren sich 43% der Deutschen im Alter ab 14 Jahren freiwillig für die Gesellschaft, was 30,9 Millionen Menschen entspricht – nicht erklären. Leistung findet hier gerade ohne Geld statt. Und das sogar bei fast jedem Zweiten in der deutschen Bevölkerung! Sämtliches ehrenamtliches Engagement erfolgt in erster Linie aus einer geldunabhängigen Motivation heraus: es geht allein darum, persönliche Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn man so will: es gibt kein Geld und trotzdem eine „Entlohnung“ durch die eigene Erfüllung. Dieses „Austauschverhältnis“ spiegelt sich bisher in vielen Erhebungen hierzu wieder und bestätigt sich auch in meinen persönlichen Interviewerfahrungen. Ebenfalls zeigt sich, dass dabei Motivationen absolut vielfältig und ganz individuell sind, - aber das ist ein noch mal ein anderes Blogthema  😉


Ehrenamt als produktiver Leistungsfaktor!

Wir waren ja bei Leistung und einer mal „produktiven“ Betrachtung von ehrenamtlichem Engagement. In einer Zeit, in der der Staat zunehmend mit der Aufrechterhaltung von bestehenden gesellschaftlichen und sozialen Versorgungssystemen und –leistungen (finanziell) überfordert ist, vielleicht noch einmal eine ganz interessante Perspektive?!

In dem aktuellen Freiwilligensurvey ist untersucht worden, dass ca. 60 % der Engagierten bis zu zwei Wochen pro Woche freiwillig Dienst leisten. Die anderen 40 % leisten im Durchschnitt zwischen drei und sechs Stunden wöchentlich. Legt man hier einen Schnitt von ca. 3,5 Stunden pro Woche zugrunde, ergäbe sich bei den ca. 30,9 Millionen engagierten Menschen in Deutschland eine monatliche Leistung von ca. 14 Stunden. Dies entspräche einem jährlichen Stundenvolumen von ca. 5,2 Millionen Stunden. Würde man beispielsweise dieses unentgeltliche Volumen nur einmal vergleichsweise mit dem gesetzlichen Mindestlohn – aktuell bei 8,84 Euro – multiplizieren, kommt das freiwillige Engagement einer (Arbeits-)leistung im Wert von ca. 46 Mrd. Euro gleich. Nicht schlecht, oder? Damit zeigt sich, dass freiwilliges Engagement nicht nur eine "tragende" Säule unserer Gesellschaft darstellt, sondern die daraus entstehende Leistung auch einen erheblichen Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung hat.

Was nix kostest muss doppelt gut sein
Den Spruch gibt es sicherlich nicht nur in Köln:"Was nichts kostet - das ist nichts". Für freiwillige Aktivitäten funktioniert das so nicht. Oder anders ausgedrückt: Auch wenn sich hier Menschen ohne geldliche Gegenleistung engagieren, hat dies überhaupt nicht zur Folge, dass Empfänger von ehrenamtlichem Engagement an diese Leistung keine Erwartungen stellen. Ganz im Gegenteil!

Jeder der bereits mit einem ehrenamtlichen Engagement in Kontakt gekommen ist - sei es weil er es selber ausgeübt hat, oder als "Empfänger" - wird wissen, dass an die Ausübung von freiwilligen Tätigkeiten enorm hohe Ansprüche gestellt werden. Denn es handelt sich hier nicht nur um "Hilfsarbeiten" sondern meist um verantwortungsvolle Aufgaben, die genauso effizientes Management und vor allem ein professionelles Miteinander erfordern. Hier muss genauso oder vielleicht sogar noch mehr als bei bezahlter Arbeit sorgfältig, kompetent und sicher gehandelt werden. Sonst verpuffen nicht nur wertvolle Energien sondern es können beträchtliche materielle und vor allem ideelle Schäden entstehen. Ist der Ruf einer (ehrenamtlichen) Organisation oder Vereinigung ruiniert, mag keiner mehr mitmachen oder diese unterstützen und es braucht Jahre, bis sich hier wieder Vertrauen aufgebaut hat...

In jedem Bereich, in dem sich Menschen ehrenamtlich engagieren sind daher ganz unabhängig von ihrer Aufgabe, die Anforderungen an alle Beteiligte gleich:



Quelle Anforderung an EA: B. Redmann

Egal, ob sich jemand als Vorsitzender einer Elterninitiative hat aufstellen lassen, sich für einen Begleit- oder Besuchsdienst von kranken oder älteren Menschen gemeldet hat oder in der freiwilligen Feuerwehr aktiv ist: Für alle gilt: dass sich diejenigen, denen ihr Tun zugutekommt, auf sie verlassen können, dass jeder von ihnen seine Aufgabe ernst nimmt und dabei sein Bestes gibt. Gerade weil sich Menschen freiwillige zur Übernahme einer Aufgabe bereit erklärt haben, sind die qualitativen Erwartungen an die Erledigung einer solchen Aufgabe oftmals viel höher als im Berufsleben, in dem unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten der Maßstab der „mittleren Art und Güte“ – also einer durchschnittlichen Leistungserfüllung – angelegt wird. 

Fazit:

Ehrenamtliches Engagement schafft Produktivität mit Leidenschaft und Liebe. Erfolgreiches Engagement klappt durch eine verlässliche mindestens gute Leistung von Engagierten - und diese erfolgt ohne Geld. Der Qualitätsanspruch an eine ehrenamtliche Leistung ist aber mindestens so hoch, wie für eine bezahlte Verrichtung, - wahrscheinlich sogar höher. Also: hohe qualitative Produktivität mit Spaß an der Sache... Ein Zustand, von dem Unternehmen in der Wirtschaft meist nur träumen....

Quellen:
1)Redmann, B.
, Erfolgreich führen im Ehrenamt, Springer, 3. Auflage 2017
2) Freiwilligensurvey 2014
3) Engagementatlas 09


Mittwoch, 25. Oktober 2017

Und was bitte ist überhaupt Karriere?

Foto: B.Redmann

Aktuell wird vieles diskutiert rund um das Thema "Arbeit". So sprechen wir über die Veränderung der Arbeitswelt und in diesem Zusammenhang über "Neues Arbeiten" oder neue Arbeitsformen. Wir sprechen hier oft darüber, was wir als Mensch und als Mitarbeiter "wirklich, wirklich wollen". Und wir sprechen auch davon, wie sich Unternehmen organisieren sollen, damit es mit dem Erfolg und der Zusammenarbeit noch besser wird. 

Es gibt viel Buntes zum Thema "Arbeit" zu berichten. Doch was bedeutet Arbeit und Karriere eigentlich für den einzelnen? 

Wikipedia sagt: "Die Karriere oder berufliche Laufbahn (von französisch carrière) ist die persönliche Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben. In der betrieblichen Personalarbeit versteht man unter Karriere "jede betriebliche Stellenfolge einer Person im betrieblichen Stellengefüge. Seit den 1990er Jahren wird in der Karriereforschung davon ausgegangen, dass Karrieren verstärkt - wenn nicht sogar überwiegend - jenseits organisatorischer Grenzen stattfinden. 

Früher - das heißt  - als ich anfing als Schülerin zu jobben - da war Karriere ganz klassisch und klar als beruflicher, finanzieller und damit auch als gesellschaftlicher bzw. sozialer Aufstieg definiert: Vom Azubi zum Bankdirektor. Man fängt klein an und hört groß auf. Und wer ganz oben angekommen war, musste sich nichts mehr sagen lassen, sondern "hatte das sagen" und konnte seine Vorstellungen frei verwirklichen.
Karriere war klar "groß und oben".

Als ich dann mit dem Studium fertig war, ging es in meiner Generation überwiegend darum, dass "frau" erst mal was schafft, ihr Können unter Beweis stellt und möglichst viel bis Mitte 30 erreicht, um sich danach erst dem Thema Familienplanung widmen zu können.
Karriere war hier "viel und gleichzeitig".

Heute erlebe ich als Dozentin Studierende viel "lockerer": Wenn Familie ansteht, dann wird sie "gemacht", wenn sich ein guter Job ergibt, wird dieser angenommen. Eine lukrative Tätigkeit wird nicht mehr um jeden Preis gemacht - überhaupt wird nicht alles "um jeden Preis gemacht".
Karriere ist gefühlt "relativ".


Was ist aus der "guten klassischen Karriere" geworden? Hat  sie heutzutage noch eine Bedeutung für uns heute? Und wenn ja, welche? Oder gibt es heute verschiedene Karrierebegriffe, die gleichwertig nebeneinander stehen? Existiert der Karrierebegriff überhaupt noch oder hat der Karrieregedanke als Leitkonzept vielleicht sogar den Weg in private Dimensionen gefunden?


Eine persönliche "Studie" zum Thema Karriere

Ich wollte mich einmal bewusst weg von irgendwelchen Studien bewegen sondern mich haben hier ganz konkrete, lebendige Menschen interessiert. So ist die Idee zu diesem Beitrag entstanden: eine bunte Palette aus Impulsen, Meinungen, Ansichten rund um das ganz persönliche Thema: 


Was bedeutet Karriere für mich?
Was bedeutet Karriere in der heutigen Zeit?

So lauteten die zwei Kern-Fragen an meine Interviewpartner, die sich alle in ganz unterschiedlichen, eigenen Lebenssituationen befinden und die all, ihre ganz individuelle Sicht auf "ihre" Karriere haben. Gefragt habe ich alle, die mir gerade "begegnet" sind in meinem Alltag. Die folgenden drei waren die ersten, die sich bereit erklärt haben, hier mitzumachen. Sicherlich ist dies keine wissenschaftliche Erhebung. Das ist auch gar nicht die Absicht. Mir geht es hier darum, Erfahrungen zu teilen, vielleicht den ein oder anderen Impuls zu bekommen und einfach mal den zutiefst menschlichen Aspekt von diesem abstrakten Begriff uns etwas näher zu bringen... und vielleicht damit zu eigenen Gedankengängen dazu, was denn "Karriere für mich bedeutet" einzuladen oder gar darüber miteinander ins Gespräch zu kommen. Und damit vielleicht auch die vielen Diskussionen um "neues Arbeiten" wieder etwas konkreter zu machen, nämlich zu schauen, wo hier eigene Vorstellungen liegen und was uns oder mir denn wirklich, wirklich wichtig ist. 


Karriere aus dem Blickwinkel eines "Azubi´s":


Der erste Beitrag ist von Angelo, nicht nur weil sein Name mit "A" anfängt, sondern auch weil er gerade erst in´s Berufsleben gestartet ist und vor knapp zwei Monaten seine Ausbildung begonnen hat:


Foto: A. Voßen


Karriere ist für mich….
Karriere bedeutet für mich, in der Berufslaufbahn, die für einen selbst die richtige ist, möglichst viel zu erreichen. Um Karriere zu machen, ist für mich persönlich wichtig, alles mitzunehmen, was einem auf dem Weg angeboten wird. Karriere mache ich aus meiner Sicht dann, wenn ich mich nicht nur während der Arbeitszeit im Büro mit den Themen beschäftigt, sondern auch viele Gelegenheiten zum Lernen wahrnehme. Z.B. Schulungen oder Trainings, die für jeden verfügbar sind. Karriere kann ich nur dann machen, wenn ich es wirklich will, sprich lernwillig bin und Chancen nutze. Eine gute Karriere kann so laufen, dass ich immer erfolgreicher werde, aber das ist meiner Meinung nach nicht essentiell für eine erfolgreiche Karriere. Erfolgreich ist eine Karriere für mich dann, wenn ich an dem Punkt angelange, an dem ich mit meiner Position glücklich und zufrieden bin. Natürlich spielt es vielleicht auch eine Rolle, dass ich in der Lage bin, mich selbst, und irgendwann eine Familie zu versorgen. Das Wesentliche für meine Karriere oder besser für meine erfolgreiche Karriere ist jedoch für mich etwas ganz persönliches: wenn ich lächelnd den Arbeitsplatz betreten und abends wieder verlassen kann und wenn ich eine Tätigkeit mache, von der ich nicht bereue, dass ich mich für sie entschieden habe. Karriere spielt, wie ich finde, eine bedeutende Rolle im Leben, denn ich finde, meine Arbeit macht einen großen Teil meines Lebens aus und nimmt viel Zeit ein. Eine für mich gute und glückliche Karriere trägt somit zu einem glücklichen und zufriedenen Leben bei. „


Karriere in der heutigen Zeit bedeutet….
„In der heutigen Zeit verstehen unter Karriere meiner Meinung nach viele, dass sie sich immer weiterbilden müssen. Um eine gute Karriere zu haben, muss man immer besser sein als die anderen. Dies fördert, wie ich finde, einen Leistungsdruck, der teilweise auch schon in der Schule bis ins unermessliche spürbar ist. Viele werden dadurch – eben weil sie immer besser werden wollen - gestresst und unzufrieden. Sie verbinden Arbeit und Karriere dann mit Anstrengung und nicht mehr mit Freude und Zufriedenheit. Persönlich habe ich den Eindruck, dass viele Leute der jüngeren Generationen Karriere falsch auffassen. Denn Karriere sollte Zufriedenheit spenden, und nicht Unzufriedenheit. Wenn man sich weiterbilden möchte und auch die Möglichkeit dazu hat, ist es gut, dies zu nutzen. Auf der anderen Seite, ist es auch gut, ab und zu mal inne zu halten und zu schauen, ob es mich wirklich glücklicher macht, noch nach weiteren Sternen zu greifen. Gerade dann, wenn ich schon einen ganzen Beutel voller Sterne habe und das Gewicht dieses Beutels so hoch ist, dass ich ihn gerade noch so tragen kann. Denn mehr ist nicht immer gleich besser, manchmal reicht weniger um zufrieden mit sich und seiner Karriere zu sein. Das ist bei jedem sicherlich anders und das ist auch gut so. Letztendlich glaube ich, sobald man zufrieden ist, hat man eine gelungene Karriere hinter sich. „


Karriere in der Lebensmitte

Wie sieht die Sicht auf Karriere in der "so ungefähren" Lebensmitte aus? Ich wollte es wissen und habe Tobias gefragt, Jahrgang ´74 und mitten drin im beruflichen Wirken:


Foto: T.Illig
Was Karriere nicht für mich ist....
"Karriere ist für mich (Jahrgang 1974) ein selbstbezogenes Konzept der eigenen beruflichen Entwicklung, die nach immer besser bezahlten und immer statusträchtigeren Stellen Ausschau hält. Es geht meist um das eigene Fortkommen und Auskommen, garniert mit Boni, Dienstwägen und schicken Statussymbolen. Deshalb mag ich den Begriff auch nicht, weil ich ihn negativ konnotiere. Denn, was davon bleibt bestehen? Es ist doch nur oberflächliche Kosmetik, die einem zwar das Leben augenscheinlich versüßen kann, aber auf Dauer glücklich machen andere Sachen. Die freudsche Penisneid-Interpretation des „Ich hab den Größten“ („Mein Haus, mein Pferd, mein Auto!“...) bringt Männer auf interessantes Balz- und Dominanzgehabe, nur um Profilsucht zu befriedigen oder den Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren. Mit echter Charaktersubstanz hat das nichts zu tun. Bei Frauen ist es dann das „Schneewittchen-Syndrom“: wer ist die Schönste (und Raffinierteste, und Cleverste, und Lieblichste, und Tougheste ...) im ganzen Land. Dabei wissen wir doch alle, dass soziale Vergleiche nur unglücklich machen. Das also darf „Karriere“ für mich nicht sein. "

Was ist es denn dann für Dich?
"Ich nenne es lieber „Biographie“. Schließlich geht es nicht nur um berufliche Belange, sondern auch ums Privatleben. Mittlerweile. Zum Glück. Das ganze Leben macht eine Identität aus, nicht nur, der berufliche Status oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe. Der Karrierebegriff hat sich in den letzten Jahren – sehr markant mit der Generation Y – gewandelt. Das, was ich oben beschrieben habe, gilt zwar nicht mehr so intensiv für alle. Das Leitmotiv bleibt dennoch stark und präsent – auch für Generation Y. Daneben sind aber deutlich mehr andere, alternative Werte getreten. „Karriere“ soll heute Sinn machen. Man möchte etwas zur Gesellschaft, zur Welt beitragen und nicht sinnlos einem Job nachgehen. Man möchte Beruf von Privatleben klar abgrenzen, weil man von einem gesunden Privatleben auch profitieren will – und erstaunlich für die typischen Karrieristen – auch berufliche Abstriche in Kauf nimmt, um Beruf und Privatleben irgendwie zu harmonisieren." 

Was glaubst Du, bedeutet Karriere dann in der heutigen Zeit?
"Da hat sich also schon ein Wandel vollzogen, den ich für den Karrierebegriff sehr interessant finde. Besonders einleuchtend fand ich die Dreiteilung in Job, Karriere und Berufung, wie sie die Michiganer Schule rund um Kim Cameron lehrt. Seinen Ursprung hat das Modell aus der Positiven Psychologie von Martin Seligman (und davor waren es die Griechen!), dem Vater der Glücksforschungbewegung und Positiven Psychologie. Unter Job subsummiert man sämtliche Berufe, mit denen man eben Geld verdient und sein Überleben sichert. Das wäre vielleicht in der Maslowschen Pyramide eher unten angesiedelt. Ein bisschen höher kommen Selbstverwirklichungstendenzen dazu: Die Karriere verfolgt opportunistische Ziele, sucht das Beste für sich selbst und die Organisation. Die höchste moralisch-ethisch zu erreichende Stufe ist die der Berufung (engl. Calling). Mutter Theresa steht für diese Form meist Pate, weil es nicht um egozentrisch-hedonistische Ziele geht, sondern um über sich selbst transzendierende Sinnkategorien, die man mit seinem Leben, nicht nur seinem Beruf ausübt." 

Können alle Karriere machen?
"Natürlich soll man auch bei aller idealistischen Vorstellung den Ball flach halten und die Kirche im Dorf lassen. Jeder Beruf hat angenehme Seiten und mitunter auch sehr unangenehme Seiten. Auch im Berufungsmodus gibt es eher aufreibende Aufgaben oder langweilige Routinen, die eben gemacht werden müssen. Ob man das nun delegieren kann oder nicht, sie sind Bestandteil des Pakets, das man damit gekauft hat. Auch die Karriere oder der Job haben positive und negative Seiten. Insofern verstehe ich viele, die sich eben nicht in einer Karriere selbstverwirklichen können oder viele, die eben nicht in einer Berufung komplett aufgehen können, sondern am Fließband wenig anspruchsvolle Routineaufgaben vollziehen müssen, um für ihren Unterhalt zu sorgen. Vieles von dem Karriere-Gedöns ist nur elitäres Gehabe, mit dem ein Großteil der Bevölkerung nichts anfangen kann, weil dieser Teil der Gesellschaft sich selbst eben nicht selbstverwirklichen kann, sondern abhängig beschäftigt ist." 

Tue, was Du wirklich, wirklich tun willst...
"Einen interessanten Gedanken hat für mich die New-Work-Philosophie von Bergmann in die Diskussion gebracht. Seine Zukunft-der-Arbeit-Philosophie ist u.a. dadurch geprägt, dass Menschen ihre Lebensmittel, Güter und Produkte smart produzieren lassen (von Maschinen) und sich selbst durch ein – so die politische Weiterführung – bedingungsloses Grundeinkommen sichern. Wenn Geld, bzw. das Jagen um Geld und das Sorgen um Geld, nicht mehr den zentralen Stellenwert hat, geht man entspannter an sein Leben heran und darf sich ernsthaft die Frage stellen, was man nun mit seiner Lebenszeit anfangen will. Wenn man also sozial gesichert ist, braucht man Betätigungs- und Bestätigungsfelder, die Sinn machen, zu eigenen Stärken passen und dem Gemeinwohl zugute kommen. Deshalb lohnt sich immer die biografische Frage: Was, wenn Geld keine Rolle spielt, würde ich wirklich, wirklich gerne tun? Eine interessante Perspektive."


Karriere im letzten Drittels des Berufslebens


Doris ist schon lange "im Geschäft". Geboren im Jahr 1955 startete sie mit ihrer beruflichen Laufbahn im Jahr 1955. Wie stellt sich Karriere für sie dar?


Foto: D. Weidinger
Karriere früher und heute für mich...
"Das Wort „Karriere“, lateinisch carrus „Wagen“,  bedeutet dem Sinn nach “Fahrstraße“. Und Straßen führen  bergauf und bergab, es gibt Haupt- und auch Neben- und nicht zu vergessen Seitenstraßen, genau wie bei der  beruflichen Laufbahn: Musterlebenslauf und atypische Karrieren.
Als ich mir damals Gedanken gemacht habe, welchen Berufsweg ich einschlagen möchte, hatten wir nicht das breite Angebot an Informationsmöglichkeiten wie es Schülern heute zur Verfügung steht. Es gab keine Infoveranstaltungen, Berufsmessen oder gar das Angebot, an Schnuppertagen oder im Rahmen eines Praktikums hinter die Kulissen des Unternehmens schauen zu dürfen. Beeinflusst durch den Freundeskreis begann meine Straßenkarte / mein beruflicher Lebenslauf mit  einer mehrjährigen Ausbildung und anschließender Tätigkeit im öffentlichen Dienst, welche von starren Hierarchien sowie planbaren und überschaubaren Aufstiegswegen geprägt war, kurz „Beamtenlaufbahn“.
 Im Laufe meiner Entwicklung musste ich in verschiedenen  sozialen Umfeldern verschiedenen Rollen gerecht werden – Beruf, Freizeit, Mutter… Sukzessive veränderte sich meine Motivation in meinem persönlichen und beruflichen Denken. Zu Beginn haben mich der wirtschaftliche und soziale Aufstieg angespornt, doch immer mehr stand die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an erster Stelle.
Nach einer mehrjährigen beruflichen Auszeit, in der ich meine Rolle als Mutter genießen  und neben dieser Verantwortung der eigenen und gemeinsamen Freizeitgestaltung viel Raum geben konnte, kehrte ich in Teilzeit in den öffentlichen Dienst zurück. Wenn man bedenkt, dass zu Beginn meiner Karriere beim Arbeitsamt noch 14-tägig das Arbeitslosengeld für jeden einzelnen Leistungsempfänger mittels Lochkarte und dickem, weichen Bleistift angewiesen wurde, hatte zwischenzeitlich der Fortschritt Einzug gehalten – die Bearbeitung eines Antrages auf Leistungen erfolgte am PC und die monatlichen Überweisungen wurden automatisch angestoßen! Fluch und Segen eines neuen Zeitalters, doch Flexibilität war immer noch nicht gefragt und Individualität passte nicht zu den starren Vorschriften. Die Berufswahl und die sich daraus ergebenden Verhaltensmuster entsprachen nicht meinem Drang nach Eigeninitiative und beruflicher und persönlicher Selbstverwirklichung.
Ein mutiger Schritt, ein Umbruch, ein Neuanfang – nach 15 Jahren verlasse ich das sichere Fahrwasser und springe ins kalte Wasser, tausche sichere Beamtenlaufbahn gegen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit bei einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft, klein aber mit intensiven Kontakten zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA. Freiheit!
Die Arbeitsabläufe waren neu, den Umgang mit der Technik musste ich Schritt für Schritt verstehen und lernen und die Freiheit bedeutete unter anderem Kampf auf der Karriereleiter. Die Betreuung und Begleitung von Geschäftspartnern schrie förmlich nach einem „Benimmseminar“ – chinesisch mit Stäbchen essen, Rangfolge beim Grüßen … Nach einer intensiven Eingewöhnungsphase überwogen die Vorteile – eigene Ideen haben und auch noch umsetzen dürfen. Bildungsurlaube und Fortbildungskurse machten mir den PC, den Fernschreiber(!) und das Thermofax(!) zum Freund und der Innovation stand nichts mehr im Wege.
In der Lebensmitte angekommen wurde mir bewusst, nicht jeder Beruf, jede Branche, jeder Job ist für jede Lebensphase richtig. Der berufliche Neustart in einem Alter um die 40 ist beschwerlich, früher wie heute. Doch das Motto „höher, weiter, schneller“ passte irgendwie nicht mehr zu mir, nicht Karriereplanung sondern persönliche Weiterentwicklung waren mir wichtig. Hätte ich, was ich heute weiß, schon zu Beginn meines Berufslebens gewusst, viele Entscheidungen wären anders ausgefallen.
Ich begann, Karriere als den Versuch anzusehen, mir eine Identität aufzubauen, weg von einem klar strukturierten Lebenslauf mit den Entwicklungsphasen Kindheit, Beruf, Familie, Rente hin zu alternativen und intuitiven Entscheidungen. In der damaligen Zeit revolutionär. Heute wissen viele Unternehmen diese „krummen“ Lebensläufe zu schätzen, zeugen sie doch von Individualität, Kreativität, Flexibilität und Verantwortungsbewusstsein.
Meine Entscheidung meine Lebens - Erfahrung, mein Engagement und eine ungestillte Neugier bei VEDA Group einzubringen und weiter zu entwickeln kam genau zum richtigen Zeitpunkt und stellte sich als genau die richtige heraus! Vielfältige Aufgabengebiete machten wieder eine intensive Einarbeitung und das Erlernen umfangreichen Fachwissens notwendig. Mit den Jahren habe ich dieses Fachwissen in internen und externen Seminaren vertieft und reichlich Erfahrungen gesammelt. Die Arbeitswelt und die Bedingungen am Arbeitsplatz  verändern sich immer schneller und niemand darf heute damit rechnen, für die nächsten 20 Jahre seinen Arbeitsplatz sicher zu haben. Galt früher Weiterbildung als Kür, stellt sie heute ein absolutes Muss dar, wobei die Motive für das „Dazulernen“ unterschiedlich sind – Karriere, Gehaltserhöhung, Professionalität, Schutz vor Arbeitslosigkeit … Als typischer Quereinsteiger bei VEDA Group habe ich diese Möglichkeiten zur Entwicklung und Kompetenzerweiterung schätzen gelernt und intensiv zur Steigerung meines Marktwertes und Festigung meiner Position genutzt.
Das Besondere an meiner Arbeit als Office Management Administrator war schon zu Zeiten, als die Definition „New Work“ noch nicht geboren war, die Beschreibung meines Aufgabenumfeldes und meiner Einstellung. Die vielfältigen Bereiche und Themen in der Organisation des Unternehmens fordern und fördern Eigeninitiative und Entscheidungsfähigkeit gepaart mit Eigenverantwortung. In Zeiten in denen Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeiten keine Fremdworte mehr sind, habe ich in nicht unerheblichem Maß die Möglichkeit, Zeit und Ort meines Einsatzes  individuell mit zu bestimmen.

Karriere bedeutet heute für mich, die Möglichkeiten, die mein Umfeld mir bietet, abgestimmt auf meine Persönlichkeit, vollständig auszuschöpfen und mich damit zu entwickeln."


Fazit: 

Drei Menschen - drei Perspektiven. Ich bin sicher, da gibt es noch viel mehr...Und wer hier dazu beitragen möchte, ist gerne eingeladen, seine persönliche Sicht auf Karriere zu teilen. Ich für meinen Teil werde auf jeden Fall weiter fragen und sage an dieser Stelle:  Fortsetzung folgt ...


Mein Blog ist umgezogen...

Mein Blog ist umgezogen - er findet sich jetzt hier direkt auf meiner Webseite:  https://www.britta-redmann.de/blog/